Der Junge, dem die Welt gehört, ab 2. Mai im Kino; am 5. Mai um 19.45 Uhr in Anwesenheit von Robert Gwisdek und Chiara Höflich in der Schaubühne Lindenfels
Robert Gwisdek legt seine erste Regie-Arbeit vor. Der Film namens „Der Junge, dem die Welt gehört“, der ab 2. Mai in die Kinos kommt, ist ein wunderbar rätselhaftes poetisches Feuerwerk. Am 5. Mai läuft der Streifen in Anwesenheit des Regisseurs und Hauptdarstellerin Chiara Höflich in der Schaubühne Lindenfels. Mathias Schulze hat mit Gwisdek gesprochen
„Ach, wenn es so einfach wäre. Leider ist das kulturelle Feld nicht automatisch der Ort, an dem man Glück findet. Es gibt viele Menschen, die sich im Kunst- und Kulturzirkus, in ihrer Eitelkeit und Selbstvermarktung verlieren.“ Hat man Robert Gwisdek, Jahrgang 1984 und geboren in Ost-Berlin, am Telefon, muss er sich natürlich Fragen nach seiner Herkunft gefallen lassen. Der Schatten der berühmten Eltern. Die Mutter ist die Schauspielerin Corinna Harfouch, der Vater der 2020 verstorbene Charakterdarsteller Michael Gwisdek. Heute ist der Sohnemann Musiker („Käpt’n Peng“), Schauspieler, Sprecher, Produzent, Autor, Regisseur und Inhaber des eigenen Labels „Kreismusik“. Also, Hand aufs Herz: Wurden Sie, Robert Gwisdek, ins Glück hineingeboren, weil sie das kulturelle Kapital, die Gestik und Mimik, das soziale Verhalten einer Künstlerfamilie mit der Muttermilch aufgesogen haben? Gwisdek wird neben der Erwähnung der Abgründe des „Kulturzirkusses“ grundsätzlich: „In der Kunstwelt gibt es den Hang zur Selbstausbeutung. Und man kann sich wunderbar um sich selbst drehen, die persönlichen Fragen und den gesellschaftlichpolitischen Blick aus den Augen verlieren. Die Gefahr, die Perspektive auf das Wesentliche zu verlieren, ist groß.“ Selbstredend muss der Regisseur des neuen SchwarzWeiß-Filmes „Der Junge dem die Welt gehört“ nun erklären, was das Wesentliche denn sei. Gwisdek, der heute mit seiner Frau und drei Kindern im Gebiet der Schorfheide im Land Brandenburg lebt, antwortet zügig: „Das Wesentliche ist die Suche nach einer positiven mentalen Stabilität.“ Eine mentale Stabilität – schon ist der Übergang zum Film geschafft. Die Hauptfigur Basilio, gespielt vom Schweizer Singer/Songwriter Faber, lebt allein in einer sizilianischen Villa. Dort soll Musik entstehen, dort wird er von einem mysteriösen Mentor – Denis Lavant spielt ihn als wunderbar rasenden und rappeligen Quälgeist – heimgesucht. Schnell wird klar, dass hier Basilios eigene Seele spricht, dass er sich mit seinen Ahnen, seiner Herkunft und mit kollektiven Klischeevorstellungen über das Künstler-Sein auseinandersetzen muss. Was ist Poesie, was Freiheit, was Liebe? Soll der Künstler die Welt belauschen und ihre Töne in Kunst verwandeln? Oder braucht es eine eigene Sprache, um die Phänomene der Schöpfung und sich selbst zu deuten? Und dann trifft Basilio auf die geheimnisvolle Karla, gespielt von Chiara Höflich. Beide suchen eine mentale Stabilität. „Das Wesentliche ist die Suche nach einer positiven mentalen Stabilität.“ Was nach einem verkopften Arthouse-Kino klingt, entpuppt sich als ein atmosphärischer, surrealer, rätselhafter und fantastischer Trip, der mit biblischen und psychoanalytischen Anspielungen, mit Musik vom Duo „Olicía“ oder von Sophie Hunger garniert wird. Schauspielerische Glanzleistungen gibt es obendrein. Ein Film, dessen vollständige Erschließung schwer zu greifen, aber dessen Sinnlichkeit stets zu spüren ist. Selbst die politische Ebene, die danach fragt, wem eigentlich die Welt gehört, warum sie in Privatgrundstücke eingeteilt ist, wird wunderbar poetisiert. Ein außergewöhnliches Regie-Debüt mit einer speziellen Entstehungsgeschichte. Inmitten der CoronaPandemie stand in Sizilien das Leben still. Die prachtvolle Villa, die heimliche Hauptdarstellerin des Filmes, wurde zum Wohnort des Filmteams. Es wurde musiziert, geschrieben und gemeinsam auf eine apokalyptisch anmutende Zeit geschaut. Die Straßen Palermos, die sonst von Touristen überflutet werden, waren gespenstisch leergefegt. So konnte man eine knisternde Atmosphäre und eine prächtige Landschaft einfangen, die dem Film den Zauber einer majestätische Erhabenheit verleiht. Glück im Unglück. „Vom Schreiben des Drehbuches bis zum Abdrehen des Films vergingen nur drei Monate. Es gibt Dinge, die schreibe ich in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit aus dem Bauch heraus, das Drehbuch dauerte zwei Wochen“, erzählt Gwisdek, der besonders den zwei Freunden, die den Film finanziell förderten, danken möchte: „Wir – also meine Familie, Freunde und ich - haben alles selbst gemacht, wir hatten keine Filmförderung im klassischen Sinne, haben viel über Selbstausbeutung geregelt. Und jetzt gehen wir mit einem Bus als Familienunternehmen drei Monate auf Kino-Tour.“ Aber warum zieht es Gwisdek nun in den RegieStuhl? „Ich liebe es, Bilder zu kreieren. Es gibt kein besseres Medium, um Bilder und Sprache zu kombinieren, als den Film.“ Gwisdeks Debüt macht Lust auf mehr. Schon jetzt darf man sich auf seine zweite Regie-Arbeit freuen: „Ein Film über den Tod“ mit Christian Friedel kommt vermutlich schon Ende des Jahres in die Kinos.
Text: Mathias Schulze