Deutschland zu Fuß, der Film kann hier bestellt werden: www.ennoseifried.de
Eigentlich muss man nur loslaufen
Der Leipziger Filmemacher Enno Seifried legt seinen neuen Dokumentarfilm vor: „Deutschland zu Fuß“ zeigt seine Wanderung quer durch Deutschland
Ein Zelt, eine Wasserflasche, diverses Outdoor-Zeug und technisches Equipment. Und verdammt tragfähige Füße. Wesentlich mehr brauchte Enno Seifried 2019 nicht, stolze 165 Tage wanderte er vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Deutschlands. „Deutschland zu Fuß“, ein 105-minütiger Dokumentarfilm, bündelt nun seine Eindrücke und Erfahrungen.
Seifried gibt mit schnoddrigem Ton den Erzähler, er zeigt uns idyllische und überwältigende Naturaufnahmen, die mit bombastisch-augenzwinkernder Musik abgeschmeckt werden. Der Reiz des Filmes ist im Grunde unser Versagen, fernab von Großstädten, Autobahnen, Zuganbindungen und Hotels zeigt uns Seifried das oftmals als allzu bekannt eingestufte Deutschland, das in Wahrheit den meisten Menschen vollkommen unbekannt sein dürfte.
Egal, ob die Steilküsten der Ostsee, die Mecklenburger Seenplatte oder das Moseltal: Dort, wo Seifried wandert, dort, wo er schläft und rastet, machen selbst die eingefleischtesten Deutschland-Touristen keinen Urlaub. So muss er mal Wanderwege vom Gestrüpp befreien, so entdeckt er verfallene Bauten, so streut er mal beiläufige Reflexionen über unser Verhältnis zur Arbeit und zu dieser „verkackten Welt“ ein.
Manchmal empfängt Seifried Besuch von Freunden, ab und an lässt er sich in einer Raumfahrtausstellung oder an der ehemaligen deutsch-deutschen Mauer etwas erklären. Dennoch meidet Seifried Bekanntschaften, oft lässt er uns mit dem sternenklaren Himmel, mit den Gewitterstürmen und historischen Orten allein.
Erzählt wird auch keine Mentalitätsgeschichte des Landes, man erfährt nichts von den gesellschaftlichen Verwerfungen, nichts von den politischen Verhältnissen. Genau dadurch erzielt der Film eine Wirkung, die dann tatsächlich die ganze Zeit über bestens unterhält.
Man staunt, wie wenig man die Schönheiten und die Vielfalt, die Landschaften und die Flora und Fauna direkt vor der Haustür kennt. Man staunt, wie wenig es braucht, um genau das zu entdecken. Eigentlich muss man nur loslaufen und die ausgeschriebenen Touristenpfade verlassen.
Seifrieds Film weitet unseren Begriff von Heimat, unsere allzu abstrakten Diskussionen über Deutschland. Im Grunde wird uns eine spezielle Art der Entfremdung vorgeführt. Ein sehenswerter Dokumentarfilm.
Text: Mathias Schulze