Der Schauspieler Harald Horvath, Jahrgang 1989, hat in Leipzig studiert. Er hat am Schauspiel Leipzig gespielt und ist derzeit festes Ensemblemitglied am neuen theater Halle. Im Sommer verlässt er das dortige Haus. Grund genug, bei Horvath nachzufragen
Hallo, Harald, Sie sind in Nürnberg geboren: Was hat Sie in den Osten verschlagen?
Die Schauspielerei, zumindest deren Anfänge. 2010 habe ich in Leipzig an der Hochschule für Musik Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ mein Schauspielstudium aufgenommen.
Trägt ein Jahrgang ’89 Ost-West-Differenzen aus?
Meine Eltern sind zur Wende von Ungarn nach Deutschland migriert, kurz darauf wurde ich geboren. Meine Mutter nannte mich ein „Mauerkind“. Sie sagte: „Als sie gesehen haben, dass du auf die Welt kommst, haben sie aufgegeben.“ Ich wuchs in Bayern auf. Doch als ich in den Osten kam, fühlte ich mich sofort zu Hause. Während meines Studiums legte man noch großen Wert darauf, uns als „Ostschauspieler“ auszubilden. Ich wollte es sein, es schien etwas Gutes zu sein – ich sympathisierte mit Brecht. Mein Professor erklärte: „Nicht du, sondern der Zuschauer soll berührt sein. Du kannst beim Pinkeln berührt sein.“ Das klang einleuchtend. Inzwischen finde ich diese Unterscheidung überholt. Die Unterschiede zwischen Ost und West verschwinden zusehends, zumindest im Theater, denn sowohl Ossis als auch Wessis produzieren im jeweils anderen Teil Deutschlands. „Nicht du, der Zuschauer soll berührt sein. Berührt sein kannst du beim Pinkeln!“
Sie haben in Leipzig studiert, sind 2019 nach Halle gezogen. Warum?
Als ich im Zuge meines Engagements am neuen theater in Halle gesehen habe, dass die Monatskarte für die S-Bahn fast eine halbe Monatsmiete kostet, war die Entscheidung klar. Zudem wollte ich mich auf die Stadt und das Theater einlassen. Und dann habe ich in Halle auch noch eine sehr schöne Altbauwohnung günstig ergattert.
Warum hören Sie als festes Ensemblemitglied am neuen theater im Sommer in Halle auf? Wo geht es hin?
Manchmal passt es eben zusammen mit einer neuen Leitung. Manchmal nicht. Ich bin offen für neue Erfahrungen, sei es auf der Bühne, vor der Kamera oder in anderen kreativen Bereichen. Mir ist wichtig, dass es zu mir passt und diese Suche braucht manchmal Zeit.
Was war das für eine Zeit in Halle? Welche größte Lehre nehmen Sie mit?
In Halle habe ich eine aufregende Zeit mit Aufs und Abs erlebt. Ich habe dort ein besonderes familiäres Miteinander erfahren, das ich sehr schön fand. Die Probenzeit ist Lebenszeit, daher ist es wichtig, mit wem man sie verbringt. Ich bin außerordentlich dankbar, dass ich mit diesem Ensemble spielen durfte. Als Lehre nehme ich mit: dankbar sein.
Was sehen und empfinden Sie, wenn Sie heute durch Halle schlendern?
Wehmut, die sich in Dankbarkeit verwandelt. Das mag vielleicht ungewöhnlich klingen. In letzter Zeit gehe ich oft an Orten und Plätzen vorbei, die mich an bestimmte Erlebnisse mit besonderen Menschen erinnern - Menschen, die mich geprägt haben und die ich mit diesen Orten verbinde. In diesen Momenten überkommt mich kurz die Wehmut, da die Zeit an diesem Ort für mich vorübergeht. Doch im nächsten Augenblick lächle ich, denn ich bin unglaublich dankbar für diese wunderschöne Zeit und das Privileg, ein Teil dieser Zeit gewesen zu sein.
Sebastian Hartmann, Viktor Bodó, Pernille Skannsar, Alexander Eisenach oder Mareike Mikat. Die Liste der Regisseure und Regisseurinnen mit denen Sie gearbeitet haben, ist lang und prominent. Wie stark muss ein Schauspieler das geistige Profil eines Regisseurs, einer Regisseurin oder auch den konkreten Inszenierungsplan für ein Stück verstanden haben?
Die Festlegung dessen, wie viel im Voraus feststeht, variiert stark – nicht nur abhängig vom Regisseur, sondern auch vom Stoff und der Konstellation. Die Arbeiten, die ich als besonders wertvoll und künstlerisch empfand, hatten weniger mit der bloßen Umsetzung von Plänen zu tun. Vielmehr ging es darum, einen gemeinsamen Dialog über den Stoff zu führen und gemeinsam herauszufinden, was uns daran interessiert. Daraus resultierte ein spielerischer Umgang mit dem Text. Im besten Fall entstehen auch Blödeleien, bei dem ein Ball den nächsten gibt. Kleinkariertheit kann ich dabei gut entbehren.
Was unterscheidet einen guten von einen sehr guten Schauspieler?
Präsenz in erster Linie. Es gibt gute Schauspieler, die jeden Abend sehr gut abliefern können, was sie geprobt haben. Im Hier und Jetzt zu sein, schafft jedoch diesen einzigartigen Moment der Wachsamkeit beim Spielenden - und damit die Wachsamkeit des Zuschauers. Und der Umstand, sein eigenes Kind in sich gefunden zu haben und es rauslassen zu können.
Sie und die Schauspielerei: Ist das eine reine Liebesbeziehung?
Die Schauspielerei ist für mich auf jeden Fall eine langjährige Liebe. Wir haben gemeinsam gelacht, geweint und uns weiterentwickelt. Sie bringt mich dazu, mich immer wieder in Frage zu stellen, was gut ist. Manchmal ist es eine intensive Romanze, manchmal eine ruhige Freundschaft, manchmal Arbeit. Sich jeden Tag zur Verfügung zu stellen ist eine Herausforderung und nicht immer vollends möglich. Leidenschaft kommt von Leiden. Aber ich kann mir ein Leben ohne Spielen schwer vorstellen.
Welche persönlichen Ziele und Pläne haben Sie? Gibt es eine Rolle, die noch unbedingt sein muss?
Meine persönlichen Ziele und Pläne als Schauspieler sind vielfältig. Gelassenheit und Zufriedenheit. Was ich spielen möchte: Alles, ich möchte mich auf nichts festlegen lassen. Die Schönheit meines Berufs liegt doch genau darin: Alles sein zu können, ohne es wirklich sein zu müssen.
Text: Mathias Schulze