Restlos, alle Infos unter: www.muetterzentrum-leipzig.de/projekt/restlos
Fährt man durch Leipzig-Plagwitz, fällt das Gebäude auf. In der Gießerstraße 29 ist eine Industriehalle liebevoll geschmückt. Der Schriftzug „Restlos“ ist dort kreativ gestaltet zu lesen. Wer oder was ist das? Der FRIZZ hat bei Projektleiterin Sandra Lehmann nachgefragt
Hallo, Sandra Lehmann, was eigentlich verbirgt sich hinter „Restlos“?
In einer lichtdurchfluteten Industriehalle in Leipzig-Plagwitz sammeln wir seit 2016 Restmaterialien aus Haushalt, Handel und Handwerk. Dieser vermeintliche Müll, sauber und gut sortiert, stellt die Basis unserer Arbeit dar. Wir nehmen beispielsweise Stoffe, Wolle, Papiere, Kronkorken, CDs, Metalle, Holzreste, Getränkekartons oder auch Werbebanner entgegen.
Und dann?
Diese Restmaterialien bieten wir für die kreative Verarbeitung oder zur Abholung auf Spendenbasis für Privatpersonen, Vereine, Kunstschaffende, Schulen oder Kindergärten an. Verschiedene Werkecken, beispielsweise Holz- oder Nähecken, sind bei uns integriert. Wir haben freie Werkstattzeiten, in denen unsere Werkzeuge genutzt werden können. Wir bieten auch für Gruppen Workshops zur Vermittlung von Handwerkstechniken an. Weiterhin gibt es für Kinder- und Erwachsenengruppen Bildungs- und Kreativangebote. Dabei sprechen wir Kinder ab ungefähr vier Jahren an.
Das war noch nicht alles, oder?
Für Bildungseinrichtungen, Vereine oder Firmen stehen wir als externer Partner im Bereich „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ sehr gern zur Verfügung.
„Restlos“ …
… ist ein Ort der Vielfalt. Wir wollen die Menschen befähigen, ermutigen, vernetzen und für den Umweltschutz begeistern. „Restlos“ ist ein Projekt des Vereins „Mütterzentrum Leipzig“. Der Verein setzt sich seit mehr als 30 Jahren für die Interessen von Familien in Leipzig ein. Und: „Restlos“ wird in diesem Jahr vom Amt für Umweltschutz gefördert.
Welche Philosophie steckt hinter „Restlos“?
Viele Dinge werden vorschnell entsorgt, vermeintlicher Müll ist in unseren Augen Ausgangsmaterial, Rohstoff und Inspirationsquelle. Die Nutzenden können bei uns frei aus allen Materialien auswählen und eigene Ideen umsetzen. Das schafft eine angenehme Arbeitsatmosphäre – auch in großen Kindergruppen. Alle werden in ihren Entscheidungen ernst genommen, wir werten nicht: Schön, komisch oder schief gibt es bei uns nicht. Wenn die Künstler und Künstlerinnen mit dem Prozess und ihrem Werk zufrieden sind, ist unser Ziel erreicht. Zudem gilt bei uns der Grundsatz „Ermutigen und befähigen“. Wir regen an, sich frei kreativ zu entfalten, neue Handwerkstechniken auszuprobieren und zu erl-ernen. Viele trauen sich hier das erste Mal, mit Nadel und Faden oder Standbohrmaschine zu arbeiten. Manche, die sich für unkreativ halten, erkennen, welche Ideen in ihnen stecken.
Das ist kreativer Umweltschutz.
Ja, indem wir aufzeigen, wie kreativ und individuell Umweltschutz sein kann, erreichen wir viele Menschen. Mit praktischen Erfahrungen lassen sich gewisse Inhalte leichter nachvollziehen. Wir begleiten unsere Upcycling-Angebote mit Wissensvermittlung zu den Themen Plastikproblematik, Recycling, Mülltrennung oder auch Konsum.
Es gibt noch zusätzlich Angebote, oder?
Gruppen, die ungefähr bis zu 25 Teilnehmende umfassen, können unsere Halle für Projekttage, Ferienangebote, für Workshops oder Betriebsausflüge nutzen. Hierbei stellen wir individuelle Angebote zusammen. Weiterhin bieten wir montags und donnerstags von 15 bis 18 Uhr die sogenannte freie Öffnungszeit an. Da kann spontan gestöbert und gegen eine kleine Stundenpauschale gewerkelt werden. Wir bieten eine große Auswahl an Werkzeugen und Maschinen, welche in der Halle auch zur Reparatur und Aufarbeitung von mitgebrachten Dingen genutzt werden können. Es gibt bei uns die Möglichkeit, (Kinder-)Geburtstag zu feiern oder in angeleiteten Workshops (Buchbinden, Papierlampenbau, Nähkurse oder Drahtkunst) neue Techniken zu erlernen.
Sind Mitstreiter gesucht?
Wir freuen uns jederzeit über neue Referenten mit spannenden Themen oder über Menschen, die gern ehrenamtlich bei uns mitmachen wollen.
Seit 2021 versucht die Stadt Leipzig, den Titel „Zero-Waste-City“ zu bekommen. Es geht darum, die Hälfte des produzierten Abfalls einzusparen. Fühlen Sie sich von der Stadt angemessen einbezogen?
„Restlos“ ist mit anderen nachhaltigen Initiativen seit ungefähr drei Jahren im „Leipziger Bündnis Abfallvermeidung“ vereint. Darüber stehen wir in Austausch mit der Stadtreinigung, die die Projektleitung für die Planung und Umsetzung der „Zero-Waste-Strategie“ innehat. Unsere jahrelange Erfahrung in der Müllvermeidung und unsere Arbeit mit jungen Menschen möchten wir gern noch stärker darin einbringen.
Welche Wünsche und Pläne gibt es?
Wir wünschen uns, dass die Themen Müllvermeidung, Ressourcenschonung und Upcycling aus ihrem Nischendasein herauskommen, attraktiv für viele Gesellschaftsschichten werden. Wir wollen dazu beitragen, dass Menschen nachhaltiger konsumieren, Dinge selbst erschaffen, umbauen oder reparieren können.
Bei der Menge, die als vermeintlicher Müll anfällt, wünschen wir uns mehr Lager- und Arbeitsflächen. Eine Ausweitung auf mehrere Stadtteile in Leipzig wäre wunderbar, ein größeres Team könnte für mehr Bildungseinrichtungen aktiv werden. Es hängt vieles von der Finanzierung ab. Wir brauchen dringend, aber auch für viele andere wertvolle Initiativen, langfristige, unbürokratische oder institutionelle Finanzierungsmöglichkeiten und dauerhafte Praxis- und Kooperationspartner. Nur so können wir nachhaltig Menschen erreichen, einen großen Teil zu einer Zero-Waste-Stadt Leipzig beitragen.
Text: Max Feller