Festival „a cappella“, 22. bis 30. April, Leipziger Konzerthäuser, alle Termine: www.a-cappella-festival.de, www.amarcord.de
Das Leipziger Quintett „amarcord“, das von ehemaligen Thomanern gegründet wurde, bestreitet das Eröffnungskonzert des diesjährigen Festivals „a-capella“. Zudem wird „amarcord“ dieses Jahr 30 Jahre alt. Grund genug, bei Gründungsmitglied Robert Pohlers nachzufragen
Wie war das vor 30 Jahren? Die Gründung von „amarcord“ war ein Spaß, eine Schnapsidee, ein ernsthaftes Unternehmen?
Mitglieder eines klassischen Chores, die vom Singen nicht genug bekommen konnten und sich deshalb außerhalb des eh schon stressigen Planes getroffen haben, kamen zusammen, um miteinander über den Tellerrand des Chorsingens hinaus zu schauen. Dabei haben sie ihre Liebe zur Vokalmusik vertieft, in mancher Hinsicht neu entdeckt – und 30 Jahre später stehen wir hier und sprechen über dieses Jubiläum.
Welche Lockdown-Erfahrungen haben Sie geprägt?
Die Ohnmacht, eigentlich arbeiten zu wollen, es aber aus überwiegend verständlichen Gründen nicht zu dürfen, war sehr schwer zu akzeptieren. Mit dem, was wir tun, sind wir es eigentlich gewohnt der Gesellschaft etwas zu geben. Dass das dann nicht nur nicht mehr ging, sondern zeitweise regelrecht gefährlich war, war für uns ein völliges Novum. Seit Anbeginn der Menschheit sind Musik und Gesang ein Mittel zur Reinigung der Seele und des Körpers. Hier hatten wir es aber mit einer für uns sehr schmerzhaften Bedrohung zu tun, die diesen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben verunmöglicht hat. Was dazu noch sehr prägend war, war einerseits das Glück, sich als Gruppe zu haben und diese Erlebnisse gemeinsam verarbeiten zu können. Das hat uns noch mehr zusammenrücken lassen.
Andererseits …
Andererseits hat uns geprägt, wie sehr unser Anspruch, Kulturland zu sein, vom tatsächlichen Stellenwert der Kultur abweicht. Partiell hat es sich so angefühlt, als sei die Kultur mangels Lobby ein willkommenes Vehikel zum Betreiben von Symbolpolitik geworden. Ohne Rücksicht auf Studien, räumliche Gegebenheiten oder andere Dinge wurden zum Teil Kulturbetriebe geschlossen, die mit den Folgen noch jahrelang zu kämpfen haben werden. Das ist sehr schade, aber zeigt auch, dass es da auf unserer Seite einiges an Nachholbedarf gibt, was die gemeinsame Interessenvertretung angeht.
Von damals bis heute: Wie würden Sie Ihre künstlerische Entwicklung beschreiben?
Wenn man das unter einem Wort zusammenfassen möchte, wäre vermutlich „organisch“ das beste. Wir haben uns Zeit genommen aus einem liebgewonnenen Hobby einen Beruf zu machen. Wir haben Dinge ausprobiert, Fehler gemacht, uns zurechtgerüttelt als Gruppe und gemeinsam eine Vision entwickelt, wo wir hinwollen. Ein 30-jähriger, ständiger Lernprozess sorgt für viele Lehren und ist noch längst nicht abgeschlossen. Wir lernen jeden Tag neue Dinge und sind auch weiter neugierig, diese zu entdecken. Diese gemeinsamen Erfahrungen der Vergangenheit, ob als Kinder im Thomanerchor oder später im Ensemble, gepaart mit der Möglichkeit für jeden, sich auch selbst zu verwirklichen durch Studium und Auslandsaufenthalte, ergibt einen guten Kitt, der uns recht kräftig zusammenhält. Auch wenn es kitschig klingt: Eine gemeinsame Vergangenheit, gemeinsame Werte, das Verständnis füreinander, ein ähnlicher Humor, gemeinsames Fallen und wieder Aufstehen und die unerschöpfliche Liebe zur Musik, all das macht unsere Entwicklung aus.
Sie agieren international. Gibt es länderspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung von Vokalmusik?
Tatsächlich gibt es Länder, in denen Vokalmusik einen höheren Stellenwert hat, weil einfach noch mehr gesungen wird. Die baltischen Staaten sind da zum Beispiel zu nennen, die unfassbar sangesfreudig sind. Im Allgemeinen kann man den Ruf der Vokalmusik in der Welt immer noch verbessern und da helfen wir natürlich sehr gerne mit, aber das Vokalmusik irgendwo besser oder schlechter aufgenommen wird, ist uns so noch nicht aufgefallen. Im Prinzip schlägt uns eigentlich in jeder Region ein gewisser Grundenthusiasmus entgegen.
Das Festival „a cappella“ ist …
… neben „amarcord“ ein Baby, das sich aus einer Geburtstagsfeier zum fünfjährigen „amarcord“-Bestehen entwickelt hat, bei der wir mit befreundeten Gruppen zusammen Vokalmusik zelebrieren wollten. Daraus erwuchs ein Festival, bei dem wir sehr froh sind, in umfassendem Rahmen A-cappella- Musik aus aller Welt vorstellen zu können und damit diese unglaublich vielseitige Facette klassischer Musik zu beleuchten. Und wir freuen uns, in der durch diverse Messen immer schon international offenen Stadt Leipzig für knapp zwei Wochen einen Begegnungsrahmen der internationalen A-cappella-Gemeinde zu schaffen. Ganz nebenbei haben wir mit dem a cappella- Wettbewerb und den Angeboten um diesen herum, die Jugendförderung ebenfalls als wichtigen Punkt mit angegliedert, um auch hier der Szene bestmöglich behilflich zu sein und auch der Jugend zu zeigen, wie großartig dieser Zweig der Musik ist und wie wertvoll es ist, sich mit diesem auseinanderzusetzen.
Welche Ziele und Pläne gibt es?
Wir hoffen vor allem, dass wir alle noch lange gemeinsam Musik machen können. Am besten ohne weitere Pandemien. Zudem wollen wir unsere Neugierde behalten und weiter immer wieder neue Dinge entdecken und singen. Wir wünschen uns noch viele weitere tolle Stunden und Konzerte mit unserem Publikum. Auf die nächsten 30 Jahre!
Das vollständige Interview ist auf unserer Facebook-Seite nachzulesen.