Ansa Sauermann und Steiner & Madlaina, 17. November, Täubchenthal, 19 Uhr
Der gebürtige Dresdner Musiker Ansa Sauermann kommt zusammen mit dem Duo Steiner & Madlaina ins Täubchenthal. Im Gepäck hat Sauermann sein neues wildromantisches Album „Du kriegst, was du brauchst“
Ein offenes Hemd, eine schonungslose Zärtlichkeit, ein wilder Entschluss, den Stürmen des Lebens zu trotzen. Und die Schönheit des Zweifelns – an sich selbst, an der Welt, an der Liebe. Versucht man die Atmosphäre des mittlerweile dritten Albums des Musikers Ansa Sauermann, der 1989 als André Sauermann in Dresden geboren wurde, auf den Punkt zu bringen, kommt man auch an abgegriffenen Worten wie kraftvoll, vital oder sogar authentisch nicht vorbei. Die Kategorie „Singer/ Songwriter“ kann man aber getrost meiden, zu irreführend lenkt sie den Blick zum eindimensionalen Liedgut, das sich in den Mehrzweckhallen des Landes großer Beliebtheit erfreut. „Du kriegst, was du brauchst“ heißt der sperrige Titel der neuen Platte, die beim Wiener „Lotterlabel“ erschienen ist. Ein wildromantisches Liebes-Album. Der seit mehr als fünf Jahren in Wien lebende Sauermann stemmt mit seinen lebenshungrigen, nach Rauch, Schnaps, Ekstase, Glück und Einsamkeit schmeckenden Songs endgültig eine künstlerische Signatur in die Welt, die zu Beginn seiner Karriere so nicht zu erwarten war.
„Das Album fühlt sich an wie Ankommen. Ich komme aus einer unsicheren Phase, aus einem langen Kampf, um meine künstlerische Ausrichtung, aus einem langen Identitätsfindungsprozess“, sagt Sauermann, der am Telefon zu erreichen ist und sich gerade auf ein Konzert mit Element of Crime vorbereitet. 2017 erschien das Debüt „Weiße Liebe“ beim mächtigen Label Sony Music. In dieser Zeit zog der Musiker aus seiner Dresdner Heimat nach Berlin. Sauermann erzählt von unterschiedlichen Vorstellungen zwischen ihm und seinem damaligen Label: „Man wollte eine große Nummer aus mir machen, einen Mark Forster oder einen Max Giesinger 2.0. Das fängt ja schon bei der digitalen Darstellung an. Wie und wo posiert man? In welche Kanäle, in welches Fernsehen will man rein? Ich wollte aber lieber ein bisschen experimentieren. Und auch in Berlin hat es nicht gefunzt.“ Die Entscheidungsgewalt über seine künstlerische Ausrichtung, den Kontrastpunkt zur hektischen Großstadt fand Sauermann in Wien. Dort, wo er vorher aufgrund privater Beziehungen immer mal wieder zu Besuch war. Sauermann fasst seine Wahrnehmung der Stadt so zusammen: „Wien ist eine Metropole mit dem Charme einer Kleinstadt. Die Gemächlichkeit, die Kaffeehaus-Kultur. Wer sitzt in Deutschland noch mit einem Weißwein und der Tageszeitung bis mittags im Café? Den Produktivitätsgedanken nicht an allen Ecken und Enden zu spüren, ist sehr wohltuend.“ In Wien fand er seine heutige Frau Madlaina Pollina, die Tochter des italienischen Musikers und Schriftstellers Pippo Pollina. Und beim „Lotterlabel“ haben sie ihn machen lassen. Jetzt kann die Musik mit Klavier, Bläser, Schlagzeug und Gitarre ordentlich rumpeln und dennoch edel ausbalanciert klingen, jetzt kann Sauermann seinen Texten folgen. Heute kann und darf Sauermann rotzig, tief, verbraucht, rau, verzweifelt und verdammt selbstbewusst singen. Im peitschenden Song „Erfolglos“, der auf dem neuen Album zu finden ist, heißt es: „Wenn mir die Sonne auch den Bauch scheint / Seh’ ich mich schon erfolgreich / Auch wenn ich verlier.“ Im Video zum heftigen Ohrwurm „B-Seiten“ führt Sauermann endlich die Gitarre mit Johnny-Cash-Attitüde – das Instrument als zweite Haut, als Teil des Körpers, der schützt, hält und unterstützt, wenn es zum Stolpern nicht mehr braucht, als die leichtsinnigen eigenen Füße. Im Text zum besagten Song heißt es mitreißend: „Wir tanzen und tanzen den Tanz / Der verkannten Genies, Halunken und Diebe / Und wir treten mit Füßen das Schöne, Gesundheit und Liebe.“ Fragt man Sauermann nach seinem Geburtsjahr, nach seiner ostdeutschen Herkunft, nach den Wendeerfahrungen in der Familie, offenbart sich noch ein ganz anderer Blick auf seine künstlerische Entwicklung. Da gab es das Zupacken nach ’89, das Ausleben der neuen Chancen. Sauermann bekam in jungen Jahren Klavierunterricht, die Gitarre hat er sich autodidaktisch in Fleisch und Blut übergehen lassen. Die sozialen und musikalischen Einflüssen kamen aber nicht von den ostdeutschen Liedermachern, die wurden nach ´89 nicht nur im Hause Sauermanns erst einmal weggelegt. Vielmehr prägten die Rollings Stones, die amerikanische Punkband Ramones, Bob Dylan oder Die Toten Hosen. Das Schnelle, das Laute, das Dreckige, das Düstere, das Provokante – da liegen die musikalischen Wurzeln. Ein Glück, dass Sauermann sie mittlerweile auch künstlerisch ausleben kann. Am 17. November gastiert er im Leipziger Täubchenthal. Es wird – so viel kann die Glaskugel verraten – ein ausschweifendes, ein tanzwütiges Konzert.
Text: Mathias Schulze