„Der Leipziger Liebknecht – Held oder Hassfigur?“, bis 30. Januar, www.stadtgeschichtliches-museum-leipzig.de
Das Stadtgeschichtliche Museum Leipzig zeigt eine Ausstellung über Karl Liebknecht. Als Hinführung zum Thema ist sie geeignet, die Aktualisierung für die Gegenwart misslingt jedoch Karl Liebknecht. Natürlich kann dieser Antimilitarist, geboren 1871 und ermordet 1919, nicht unbeachtet bleiben, wenn sich eine Metropole einem Themenjahr namens „Leipzig – Stadt der sozialen Bewegungen“ verschreibt. Zumal Liebknecht in der Messestadt geboren ist und dort seine ersten 20 Lebensjahre verbracht hat.
Assoziationen und historisches Wissen, kurz und knapp kann man die wohl so zusammenfassen: Da gab es das Deutsche Kaiserreich, in der Bevölkerung war eine chauvinistische, nationalistische und militärische Stimmung verbreitet, 1914 zogen viele Jünglinge begeistert in den Ersten Weltkrieg. Eine aufstrebende Industriestadt wie Leipzig war geprägt von der Ausbeutung der Arbeiter in den Fabriken, die 1875 entstandene SPD wollte für deren Interessen kämpfen.
Karl Liebknecht, Sohn von Wilhelm Liebknecht, der die SPD mitbegründet hatte, wächst im Geiste seines Vaters heran. Zeitlebens kritisierte er den preußischen Militarismus wie kaum ein anderer im Kaiserreich, zeitlebens verteidigt er als Anwalt und Politiker ganz konkret seine humanistischen und sozialistischen Ideen, Gefängnisaufenthalte inklusive. Schriften und Enthüllungen, beispielsweise die korrupten Verbindungen zwischen dem Kriegsministerium und der Rüstungsindustrie (Krupp), kreisen bei Liebknecht um eine Überzeugung: Hinter jedem Krieg stecken Kapitalinteressen!
Als „seine“ SPD den Ersten Weltkrieg befürwortete, kam es zum Bruch. In der „Novemberrevolution“ 1918/19 war Liebknecht Mitbegründer des „Spartakusbundes“, der das Ziel einer gesamtdeutschen Rätedemokratie verfolgte. Liebknecht, der gescheiterte Politiker. Sein Ausruf einer „freien sozialistischen Republik Deutschland“ verhallte, Liebknecht radikalisierte sich in den Wirren der Zeit, aber das kriegsmüde Volk ignorierte seinen Aufruf zur Revolution.
Politisch motivierte Morde gab es in der Zeit viele, auch Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurden 1919 von rechtsextremen Freikorps umgebracht. Bezüglich des Mordes bezog sich der Freikorpsoffizier Waldemar Pabst 1969 in einem Brief auf die damals führenden SPD-Politiker Gustav Noske und Friedrich Ebert: „Dass ich die Aktion ohne Noskes Zustimmung gar nicht durchführen konnte (mit Ebert im Hintergrund) und auch meine Offiziere schützen musste, ist klar. Als Kavalier habe ich das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.“
Betritt man die Schau im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig, fällt sofort der auf den roten Ausstellungswänden plakatierte Titel auf: „Der Leipziger Liebknecht - Held oder Hassfigur?“. Was ist das für eine Alternative? Die Kuratorin Dr. Johanna Sänger erklärt: „Der ambivalente Ausstellungstitel will zeigen, dass Achtung oder Ablehnung der Person Liebknecht immer noch von politischen Ansichten abhängen.“
Anfangs werden die historischen Verhältnisse, biographische Ereignisse und wichtige Lebensetappen von Liebknecht gezeigt. Da gibt es Dokumente, Schriftstücke und Fotos, persönliche Gegenstände und Kleidungsstücke. Man sieht politische Karikaturen, die die erstarkende Arbeiterbewegung zu diskreditieren versuchten: Der Sozialdemokrat, der einen Achtstundentag fordert, wurde als ungehobelter, fauler und kunstfeindlicher Klotz dargestellt.
Über QR-Codes kann man weitere Informationen beziehen. Man sieht historische Flugblätter, auch mehrere der Spartakusgruppe. Hinzu kommt der Holzschnitt „Gedenkblatt für Karl Liebknecht“ von Käthe Kollwitz. Außerdem Büsten von Ruthild Hahne (1951) und Theo Balden (1966/1968). Eine ganze Ausstellungswand zeigt die Helden-Verehrung seitens der SED. Zweifelsohne, der Ausstellung gelingt eine gute Einführung in die Thematik.
Irritierend sind aber vom Museum selbst eingefügte Plakate, die fragen, warum man sich an Liebknecht und die Arbeiterbewegung überhaupt noch erinnern sollte. Enttäuschend ist auch der Abschnitt zur Gegenwart: Was ist heute von Liebknecht geblieben? An dieser Stelle hat man ernsthaft nur Fan-Choreografien des Fußballvereins „SV Babelsberg 03“ gefunden. Das ist beschämend, zumal sich die Spaltungen im linken Lager auch heute noch täglich zeigen, zumal noch so viele Fragen offen sind.
Drei seien notiert: Warum genau rief der zeitlebens für Entmilitarisierung eintretende Liebknecht während der „Novemberrevolution“ zur bewaffneten Durchsetzung einer Rätedemokratie und zur Vergesellschaftung von Betrieben auf? Ist die Zusammenarbeit der Ebertschen Übergangsregierung mit den rechtsextremen Freikorps schon ausreichend aufgearbeitet? Welche Konsequenzen hatte sie?
Und ganz im Sinne Liebknechts kann auch heute noch gewinnbringend gefragt werden: Welche wirtschaftlichen Interessen stehen hinter den kriegerischen Tätigkeiten?
Text: Mathias Schulze