Geneigte Leser*,
auch wenn es mir schwerfällt, aber immer dann, wenn AfD-Schergen und andere rechte Quer-Dullys die schweigende Mehrheit in diesem Land als Schlafschafe beschimpft haben, hatten sie ja durchaus Recht. Mit dem Schluss, den sie daraus gezogen hatten freilich – dem nämlich, dass diese Mehrheit eben nur ein wenig länger braucht, um in die Springerstiefel zu kommen, prinzipiell aber sehr einverstanden ist – lag sie dann doch dezent daneben. Denn wie es aussieht, hat nun bei sehr vielen Schlafschafen zwar der Wecker geklingelt, aber das mit dem völkischen Klingelton wollte nicht so recht klappen. Stattdessen gab’s Demokratiealarm. Den aber ordentlich: Allein 30.000 Mal in Leipzig und 16.000 Mal in Halle! Die AfD hat das völlig unvorbereitet erwischt. Alice im braunen Wunderland gewissermaßen. Und gewundert hat sie sich wirklich: „Wannsee 2.0? Nur weil irgendwer in einem Potsdamer Hotel am See die Endlösung der Migranten-Frage geplant hat? Da muss sich doch nicht gleich das halbe Land so aufregen!“ Doch muss es! Erstens, weil es genau das ist: Wannsee 2.0. Und zweitens, weil sich immer noch viel zu wenige aufregen. Insofern also – und das ist die Ironie der Geschichte: „Danke AfD! Danke, dass Du in einem hoffentlich noch rechtzeitigen Moment – nämlich am Beginn dieses vor allem ostdeutschen Superwahljahres – Deine unmenschliche Fratze gezeigt hast. Gezeigt hast, dass man mit Euch Nazis nicht spielt - auch nicht aus Protest!“ Zu spielen gibt es hier nämlich nichts. Gemeint ist alles das absolut Ernst! Zu geplanten Massendeportationen von Migranten schreibt der Thüringer Gauleiter Bernd Höcke in seinem Buch: Man werde, „so fürchte ich, nicht um eine Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit‘ herumkommen.“ Und nun, was tun? Bleiben wir wachsam, bleiben wir stark, bleiben wir auf der Straße! Dann bekommt er sie, der Bernd, seine Antwort an der Wahlurne. Gern auch mit wohltemperierter Grausamkeit.
Eike Käubler
* Aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichten wir auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers.