Geneigte Leser*,
wenn wir – Stichwort Kiffen – schon mal beim Legalisieren sind: Es ist ja prima, dass die Politik nach gefühlten 120 Jahren des Abstreitens erkannt hat, dass man mit der Strategie, den Konsum zu kriminalisieren, exakt das Gegenteil dessen erreicht hat, was man eigentlich wollte. Dass dies geschehen würde, war absolut jedem klar, der halbwegs bei Verstand und historischem Bewusstsein ist. Sogar den meisten Politiker, so viel darf man unterstellen. Ob Prohibition in den USA oder drastisch verteuerten Alkohol im Russland der 90er Jahre, immer ging es darum, den als moralisch verkommen und arbeitsscheu empfundenen Teil der Gesellschaft wieder auf den Pfad der christlichen Tugenden der Besser-Menschen zurückzuführen. Die nehmen zwar auch alle Drogen, aber das haben sie verdrängt. Und ihre Politiker werden einen Teufel tun und ihnen die Wahrheit sagen. Dazu passt übrigens ein kleiner Spaß, den ich mir neulich erlaubt habe. Ich habe meiner Mutter erzählt, wann ich begonnen habe, Drogen zu nehmen. Ich meinte damit, wann ich begann, zu rauchen und Alkohol zu trinken. Sie aber war vollkommen erschüttert: „Was Junge, du hast Drogen genommen?!“
Alkohol verknappen, deutlich verteuern und die Abgabe streng regulieren. Das ist nicht einmal revolutionär. Bloß vernünftig. Nur leider setzt in diesem Land die Vernunft beim Thema Saufen spätestens weit vor dem ersten Glas aus. Das ist dann wie beim Tempolimit. Politiker, die ihrer eigenen Hinrichtung beiwohnen wollen, dürfen das gern vorschlagen. Was zählt in diesem Land, ist das Recht, sich totzusaufen oder -zurasen, wann immer man Lust darauf hat. Haben aber andere, wie beispielsweise die Amerikaner, Lust, sich stattdessen lieber tot-zuschießen, sprechen wir denen das mit maximaler moralischer Überlegenheit ab. Das ist natürlich herrlich deutsch – und herrlich schizophren. Aber darum sollen sich andere kümmern. Ich nehme jetzt Drogen. „Sorry Mutti!“
Eike Käubler