Geneigte Leser*,
etwas mit mir stimmt nicht. Sie heißen Pia, Bibi oder Pamela und haben über sieben Millionen Abonnenten. Aber das hat auch nichts geholfen. Weder auf meinem Insta-Account noch bei Facebook folge ich irgendeinem Influencer. Weshalb ich bislang dennoch überleben konnte und nicht längst hilf- und orientierungslos zwischen Supermarktregalen verendet bin, ist schwer zu sagen. Zumal meine Bibis und Pamelas zum Beispiel Hauck & Bauer heißen, ziemlich gute Karikaturisten sind und mir einst unter anderem folgende Botschaft auf die Gehirnrinde gemalt haben, die hängen geblieben ist: „Nichts kaufen! 100% sparen!“ hatten sie auf einen großen Werbeaufsteller in einem Supermarkt gepinselt. Vielleicht mal darüber nachdenken, liebe Fallower *innen und *außen, wenn Pia das nächste Mal satte fünf Schoki-Pakete von Milka unter ihren drei Millionen Abonnenten verlost.
Andererseits, vielleicht muss man auch nicht darüber nachdenken. Es ist so, wie es ist. Die Influencer sind ja auch nur das nach außen sichtbare Symptom der Generation „Ich, Ich, Ich“ - oder kürzer, der Generation „Selfie“. Denn ohne Selfie keine Influencer. Fun fact: Ursprünglich stand der Begriff Selfie im Englischen für Selbstbefriedigung. Ob die heutigen Influencer das wissen, während sie sich in aller Öffentlichkeit selbst befriedigen? Wir wissen es nicht. Was wir aber wissen, ist, dass die fotografische Qualität der allermeisten Selfies zu wünschen übrig lässt. „Handy, Fish Gape und fertig“, wird eben vermutlich eher selten Foto Awards gewinnen. Lohnenswerter ist da schon ein Blick in die Vergangenheit. Nicht nur, dass es damals schon Selfies via Selbstauslöser gab. Die Models hatten auch noch wesentlich mehr Style, auch ohne ein dämliches Fischmaul zu machen. Und Bibi mussten sie auch nicht heißen. Kevin, das zeigt dieses Bild, war völlig ausreichend.
Gibt es Kevin heute noch? Dann preist er sicher Artikel zur Selbstbefriedigung an. Ich würde sie kaufen. Dann wäre ich auch Fallower. Endlich.
Eike Käubler