Das letzte Wort im September hat die Leipziger Musikerin Anne Venske, die mit ihrer Band Klezwerk am 21. September um 19 Uhr in der Marienkirche in Leipzig-Stötteritz auftritt. Das Quintett spielt jiddische Folklore, verknüpft traditionelle Lieder mit anderen Musikstilen
Hallo, Anne, wenn Sie in diesen Tagen an Leipzig denken, welches Kompliment würden Sie der Stadt und/oder ihren Bewohnern machen?
Ich erlebe Leipzig als eine sehr offene und bunte Stadt. Der Osten Deutschlands hat – teilweise leider zu Recht – einen schlechten Ruf in Bezug auf seine politische Ausrichtung: Rassismus, Queerfeindlichkeit und antidemokratische Tendenzen nehmen immer mehr Raum ein. Frei davon ist Leipzig auch nicht, aber ein Großteil kämpft unerschütterlich dagegen an. Ich hoffe sehr, dass die Stadt weiterhin mit Toleranz und Menschlichkeit voran geht, irgendwann, auch wenn es unrealistisch scheint, das ganze Bundesland damit ansteckt.
Und welchen Tadel würden Sie der Stadt aussprechen?
Es muss noch mehr für den Fahrradverkehr getan werden. Viele Straßen sind noch immer für Autos optimiert, haben teilweise keine oder nur sehr unsichere Fahrradwege. Das ist nicht nur gefährlich, sondern lässt Rückschlüsse auf eine wenig umweltfreundliche Verkehrspolitik zu. Öffentliche Verkehrsmittel und Modelle wie Carsharing müssen zudem attraktiver werden. Da könnte sich Leipzig eine Scheibe von anderen Städten mit autofreien Zonen und zahlreichen Fahrradstraßen abschneiden.
Kriege, Klima, Inflation – überall Krisen. Wie gelingt es Ihnen optimistisch zu bleiben?
Ich versuche, so banal es klingen mag, auch die kleinen Freuden des Alltags wertzuschätzen. Dabei inspiriert mich meine fast zweijährige Tochter. Kinder entdecken die Welt noch mit all ihrem Zauber und den kleinen Wundern. Ein Waldspaziergang oder nur der Weg zum nächsten Bäcker wird dadurch zu einem Abenteuer, das zahlreiche Geheimnisse bereithält. Man muss sich nur die Zeit dafür nehmen, um sie alle zu entdecken. Natürlich verschließe ich nicht die Augen vor den Dingen, die falsch laufen, aber es hilft mir, nicht nur das Schlechte zu sehen.
Welchen Kulturtipp in oder aus Leipzig würden Sie unbedingt empfehlen?
Als Mitgründerin muss ich ganz klar das Musikzimmer Leipzig hervorheben. Aber abseits des Eigenlobs kann ich das „Heiter bis Wolkig“, ein familienfreundliches Open-Air-Café auf dem Bürgerbahnhof Plagwitz, sehr empfehlen. Hier finden regelmäßig Konzerte, Flohmärkte, kleine Festivals und Themenwochen statt. Außerdem gibt es angrenzend einen tollen Bauspielplatz und einen Gemeinschaftsgarten.
So, und jetzt wirklich: Ihr letztes Wort?
Ich wünsche mir mehr Menschlichkeit, Empathie und Verständnis. Damit wäre die Welt schon ein ganzes Stück besser.
Text: Max Feller