Tom-Wolter-Festwoche, 7. bis 15. September in Halle; 15. September, naTo Leipzig, 20 Uhr, alle Veranstaltungen: www.wuk-theater.de/30-jahre-tom-wolter
Der gebürtige Leipziger Tom Wolter ist heute künstlerischer Leiter des WUK Theater Quartiers in Halle. Nach nunmehr 30 Bühnenjahren kehrt er zurück nach Leipzig. Die Veranstaltung in der naTo heißt „Wolters Karussell“. Grund genug, beim Theatermacher nachzufragen
Hallo, Tom Wolter, fangen wir grundsätzlich an: Wie kamen Sie zum Theater?
Ich war als 17, 18-Jähriger Mitglied der hungrigen Spielgruppe „Die Hinterbliebenen“ in LeipzigMarienbrunn. Oder besser: Nikolaus Kühn meinte, das würde passen, wenn ich da mitmache. Und ja, es hat gepasst und mir und uns viel Freude gemacht. Und dann bin ich von Bernd Guhr ins ATL (Amateurtheater Leipzig) geholt worden, dann 1989 weiter gestolpert ins Schauspielstudium. Und nach dem Studium war es das freie Arbeiten, welches mich mehr interessierte, als ein Engagement an einem Stadttheater.
Und dann der Sprung nach Halle, und warum sind Sie dort geblieben?
Ich bin als Student ans neue theater gegangen. Relativ schnell habe ich sehr viel im Thalia Theater in Halle gespielt – und seit 1992 auch in Halle gewohnt. Und ja, Halle ist die Stadt meiner Kinder, meiner Arbeit und meiner Liebe geworden.
Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen den Städten?
Damals war der Unterschied, dass es in Halle mehr Direktheit und Unverstelltheit gab. Und in Leipzig so eine Art Größenwahn, der eben auch oberflächliger war. Halle war 1994/95 noch unbestellter als Leipzig. Und zwar mit spannenden, sehr freundschaftlichen Menschen. Daher bin ich wohl bis heute in Halle geblieben. „Damals war der Unterschied, dass es in Halle mehr Direktheit und Unverstelltheit gab. Und in Leipzig so eine Art Größenwahn, der eben auch oberflächlicher war.“
Welche Haltungen banden und führten Sie an und in die freie Szene?
Mein Unverständnis, dass ein Arbeitsvertrag als Schauspieler vor allem Dienstleistung als Spielender war - und nicht in erster Linie als Partner oder als Künstler. Ich hole meine Motivation zum Theater aus meinem Interesse, nicht aus dem Dienstvertrag. Auch habe ich sehr schnell begriffen, dass die Zusammenarbeit in den Stadttheatern sich bis heute vollkommen anders organisiert. Ich benötige aber Neugierde aufeinander und Beweglichkeit miteinander, um in einem Team ein Theaterstück entstehen zu lassen.
Den Leipzigern müssen wir es vielleicht noch einmal erzählen: Welcher Wahnsinn hat Sie geritten, eine Spiel- und Produktionsstätte in Halle aufzumachen?
Das ist schwer zu erklären, da es mit der Gruppe der Freien Komödianten schon 1994 anfing. Ich war oft Theaterproduzent, also Regisseur, Schauspieler und Autor. Und ohne Arbeitsort war dann eben schnell – 1995 war es – das erste eigene Haus in Halle gegründet. Immer habe ich versucht, in dem Haus eigene künstlerische Produktionen stattfinden zu lassen. Die Verknüpfung der Akteure war mir Leidenschaft. Ich habe mit vielen ja auch besondere Ereignisse geschaffen, ob mit Ralf Bockholdt, Nikolaus Kühn oder Volker Insel, ob mit Stefan Wenzel, Samira Lehmann oder Andreas Guglielmetti, ob mit Heike Ronniger oder Karina Esche, ob mit Simon van Parys, Peter Bauer, Micha Hinze oder Tobias Rank. Und heute sind es vor allem Elsa Weise, Benjamin Müller, Juliane Blech, Lena Mühl und viele andere mit denen ich vor allem im „ensemble p&s“ arbeite. Für dieses Arbeiten habe ich immer auch Orte in Halle geschaffen: Theater am Volkspark, Theatrale oder Luchsus.
In der jüngerer Vergangenheit gab es Erfolge und Rückschläge. Erzählen Sie bitte!
Das Scheitern – kollektives oder persönliches – gab es immer. Heute, nach über 120 Produktionen, kann ich sagen, dass ich weiß, was ich kann und was ich nicht kann. Ich bin mir meiner Bedeutung für die Szene in Leipzig und besonders in Halle bewusst. Aber wenn mir andere Menschen nicht auf die Schulter klopfen und sagen: „Wahnsinn, was du bewirkt und geschaffen hast“, warum sollte ich das tun? Ich habe in vielen Konstellationen professionelles Theater geschaffen und bin glücklich, dass ich vor über sechs Jahren mit Nicole Tröger ein Haus – das WUK Theater Quartier – gegründet habe. Ich bin glücklich, dass wir um uns ein großartiges Team haben, dass in einer sehr besonderen Art und Weise einen Kunstort betreibt. Das WUK Theater Quartier ist direkt, authentisch, mit Preisen geehrt, unterfinanziert, aber ein sehr starker und lebendiger Ort. Den hätte ich ohne meine begangenen Fehler niemals so mit aufbauen können. Das ist es bis heute: Theater ist eine Gelegenheit, Ideen zur Welt zu bringen. Und da gibt es noch viele, die ans Licht wollen.
Die Rückschläge haben wir vergessen.
Ach, darüber zu reden ist müßig. Vielmehr möchte ich über die Produktionen, wie sie sich in die Welt schieben, über die Arbeitsweise, über die Qualität, die entsteht, über die Arbeitskultur und über das, was sich verändert hat, sprechen. Das wird am 11. September um 20.30 Uhr auf dem WUK Theater Schiff in Halle geschehen.
Was steht in Leipzig an?
Die naTo ist für mich, neben dem Objekt 5 in Halle, der Geburtsort meiner eigenen künstlerischen Arbeit. In der naTo habe ich mit Conny Wolter, Tobias Rank, Sven Heinicke, Dietmar Voigt und Sabine von Oettingen vor 30 Jahren meine ersten eigenen Arbeiten zur Welt bringen dürfen. Das möchte ich mit Freunden und Weggefährten feiern. Viele haben sich angekündigt, es wird Ausschnitte und Szenen aus verschiedenen Produktionen geben. Und wir werden feiern und uns in den Himmel heben. Und ich danke damit auch der naTo – für unser Tun braucht es genau diese Orte!
Text: Mathias Schulze