Break of Day, ab 23. März, Altes Theater/Studio des Anhaltischen Theater Dessau, alle Termine: www.anhaltisches-theater.de
Mit dem Stück „Break of Day“ des norwegischen Dramatikers Fredrik Brattberg hält das leise Grauen, das uns im familiären Alltag begegnen kann, Einzug auf die Studio-Bühne des Theaters Dessau. Mit dabei: Schauspielerin Maribel Dente. Ein Porträt
Es ist immer wieder eine spannende Frage: Wie wird aus einem Mädchen, das in keinen künstlerischen Haushalt hineingeboren ist, eine Schauspielerin? Und was ist das für ein Leben? Geboren wird Maribel Dente 1992 in Baden-Baden. Nach dem Abi folgt eine Musical-Ausbildung in Hamburg, danach Theaterstationen in Naumburg, Berlin, Wiesbaden und ab 2023 dann schließlich Dessau. Hat man Dente am Telefon, fällt ihre starke, weiche und begeisterungsfähige Stimme auf, nicht zufällig ist sie auch Sprecherin im Synchronund Hörspielbereich. Nun aber los: Wie wird man Schauspielerin, wenn die Mama Kosmetikerin und der Papa Restaurantbetreiber ist? Dente erinnert sich so plastisch, dass man den Papa auf Tischen tanzen sieht: „Mein Vater hat im Restaurant gerne Gesangs- und Tanzeinlagen kredenzt. Mit meiner Mutter war ich von Kindesbeinen an im Theater oder im Ballett.“ Nur taugen diese Umstände als nachhaltiges Erweckungserlebnis? Dente wird konkreter: „Als ich klein war, wurde ich bei einer Vorstellung des Rattenfängers von Hameln geschminkt. Ich dachte: Wow, jetzt bin ich eine Ratte am Meer!“ Die Schauspielerin findet weitere Worte, die noch heute ihre Faszination für die Bühnenbretter zusammenfassen: „Wenn ich von einem Moment auf den anderen ein anderer Mensch sein kann – das ist doch Freiheit!“ „Wenn ich von einem Moment auf den anderen ein anderer Mensch sein kann – das ist doch Freiheit!“ Freiheit. Diese so abstrakte Phrase, kann Dente mit Leben füllen. Als sie in Hamburg war, begann das wilde Leben: „Hamburg – das war ein rauer Wind, das waren kalte Stürme, das war eine unglaubliche Weite. Die durchgetanzten Nächte, aber auch der Funken Verlorenheit und meine Identitätssuche – das war das größte Freiheitsgefühl, das ich bislang erleben durfte.“ Aber wie ist es, wenn man dann von der Möglichkeit einer Engagements am Theater Naumburg erfährt? Reist man sofort mit Herzklopfen nach Sachsen-Anhalt? Dente offen: „Ich wollte eine feste Anstellung, der Ort war mir da erst einmal egal. Glücklicherweise hat es geklappt.“ Und die ersten Eindrücke? „Zwei Supermärkte und dann erst einmal nichts!“ Willkommen in einem neuen Leben! Dente: „Ich habe bei einem älteren Paar gewohnt, mir wurde ganz liebevoll Soljanka präsentiert. Dabei bin ich Vegetarierin.“ Hamburg und Naumburg, die Weite und eine Zweiraumwohnung. Die Kontraste sorgten für Schockmomente. Doch die vergingen: „Nach einer gewissen Weile waren wir uns ans Herz gewachsen, das Theater in Naumburg war wie eine Familie.“ Und überhaupt, mit einem Stück in der Straßenbahn stieg Dente zum Star in der Provinz auf: „Ich sah mein Bild überall auf Werbeplakaten. Und als ich die Nora in Ibsens ‚Nora oder Ein Puppenheim‘ spielte, sprachen mich die Leute mit dem Namen der Hauptfigur auf der Straße an.“ Im zweiten Naumburger Jahr nahm sich sie ein WGZimmer in Leipzig, noch heute spricht Dente von Schockverliebtheit, wenn sie nach den ersten Eindrücke der Messestadt gefragt wird. Im März 2023 ploppte eine freie Stelle am Anhaltischen Theater Dessau auf. Als Dente vor dem großen Gebäude am Friedensplatz 1a stand, wurde das Handy gezückt: „Mama, schau mal, wie groß dieses Haus ist!“ Der erste Abend in Dessau war ein besonderer: Dente fand sich allein in einem riesigen Restaurant wieder, am späten Abend war niemand mehr auf den Straßen. Da das beeindruckende Theater, dort eine scheinbar verlassene Stadt. Heute läuft ihr Vertrag in der Muldestadt noch anderthalb Jahre. Was danach kommt? Niemand weiß es! Sicher ist, dass Dente, die im Stück „Break of Day“ die Mutter spielen wird, weiterhin an ihrem Handwerk feilen wird. Einschätzungen der eigenen Position: „Ich bin eine körperliche Schauspielerin, habe eine Präsenz im Raum.“ Und: „Durch den Job entdecke ich Facetten in mir, die sonst im Verborgenen bleiben würden. Das schenkt mir viel Freiheit.“ Da war er wieder, dieser manchmal so abgenutzte Begriff: Freiheit. Dente wird ihn vermutlich für den Rest ihres Lebens mit Inhalten füllen dürfen.
Text: Mathias Schulze