Alle Termine und Infos: www.instagram.com/julia.juenger.musik
Das letzte Wort im Oktober hat die Leipziger Musikerin Julia Jünger, die im November ihr erstes Album ohne Band veröffentlicht. Jünger, die ihre so traumschönen wie experimentellen Songs zusammen mit Timm Völker arrangiert, nennt ihre Musik Lyrikpop. Reinhören lohnt sich!
Hallo Julia, wenn Sie in diesen Tagen an Leipzig denken, welches Kompliment würden Sie der Stadt und/oder seinen Bewohnern machen?
Immerhin hat es Leipzig geschafft, dass ich nie Fernweh hatte. Ich bin hier geboren. Wenn ich allein die Georg-Schwarz-Straße anschaue, kann ich sehen, dass es keinen Stillstand gibt. Als ich Kind war, gab es dort einen Spielzeugladen mit einem großen Schaufenster, vor dem ich oft stand – und meine Eltern kauften mir nach monatelangem Betteln vom ersten Westgeld ein Barbie-Haus. Dann Leerstand, viele Jahre. Kaputte Häuser, menschenleer. Und nun gibt es wieder Sommernächte, da kommt Musik aus den Häusern, es wird getanzt, die Straße wird neu erobert – von frischen Ideen und dem Willen, etwas aufzubauen. Dieser Kraft zuzusehen, das lässt mich bleiben. Und es ist ein anderer Spielzeugladen entstanden, mit größerem Schaufenster.
Welchen Tadel würden Sie der Stadt aussprechen?
Ich würde sagen, ich habe noch Wünsche. Beispielsweise wünsche ich mir mehr Unterstützung für individuelle Ideen. Ein Geschäft, das nicht zu den großen Ketten gehört, hat in der Innenstadt gar keine Chance, etwas aufzubauen. Die Folge ist eine Innenstadt, die ich nur aufgrund der schönen Architektur besuche. Kleine Clubs können Musiker nicht wirklich bezahlen, ein Hut geht herum, darin Kupfergeld. Das ist nicht akzeptabel für eine Kulturstadt.
Welche Dinge sind für Sie in Leipzig nach den Lockdowns spürbar anders geworden?
Die Erfahrung, erlebt zu haben, dass sicher geglaubte Selbstverständlichkeiten keine unumstürzbaren Säulen sind, bleibt. Nun fühlt es sich so weit weg an. Wenn ich daran denke, auf einem einsamen Stuhl ein Konzert gesehen zu haben – das ist wie in einem Film. Wie weit weg diese Zeit für mich ist, fällt mir auf, wenn ich jemanden mit Mundschutz auf der Straße sehe und dies als befremdlich empfinde. Es bleibt das Staunen, über Anpassungsfähigkeit und Vergessen.
Und welchen Kulturtipp in oder aus Leipzig würden Sie unbedingt empfehlen?
Ich schau’ meistens, welche Musik mich interessiert, dann ist der Ort unwichtig. Ich geh gern ins „Noch besser leben“, weil ich dort viel finden kann: Livemusik, gutes Ambiente, Freunde. Das „Besser Leben“ hat auch viel zu bieten: Lesungen, Gemütlichkeit und zu später Stunde auch mal ein Münchner Freiheit- Song auf Wunsch. Der schönste Veranstaltungsort ist für mich die Parkbühne am Geyserhaus. Sie erinnert an die Waldbühne in Berlin, nur in richtig schön. Mitten im Grünen, angenehme Größe und Nähe zur Bühne, herzliches Personal. Wenn dann noch die richtigen Künstler auf der Bühne sind, die Abendsonne auf die Blätter scheint, kann das nur gut werden. Im Winter bin ich gern in der Hütte vom „Wilden Heinz“: Kamin, Enge und Musik.
So, und jetzt wirklich: Ihr letztes Wort?
Keine Angst vor dem Gefühl!
Text: Max Feller