„Das Wunderland von Alice“, bis 4. Februar und „Claude Monet – Master of Colors and Lights“, ab 8. Februar, Kunstkraftwerk Leipzig, www.kunstkraftwerk-leipzig.com
Das Kunstkraftwerk Leipzig zeigt die multimediale Show „Das Wunderland von Alice“
„Wir sind alle verrückt hier!“ Zwischen 3D-Installationen und dem Unendlichkeitsspiegel steht es zusammengefasst an den Wänden. Alle sind verrückt hier! Alle? Die Besucher auch? Digitale Kunstausstellungen und das Eintauchen in eine virtuelle Realität erfreuen sich immer größerer Beliebtheit, über 65.000 Besucher sahen im Kunstkraftwerk Leipzig die Installation „Gustav Klimt – Gold Experience“. Nun legt man nach. Frei nach Lewis Carrolls (1832–1898) Kinderbüchern „Alice im Wunderland“ und „Alice hinter den Spiegeln“ hat man einen Ausflug in eine surreale Welt arrangiert. Im Hauptraum entfaltet sich eine bombastische Bilderflut: Ein Wald blüht üppig, man folgt Alice in den Kaninchenbau, alles fliegt schwerelos durcheinander, bedrohlich grinst die Grinsekatze, der Hutmacher zückt seine Uhr, von den bis zu acht Meter hohen Wänden, vom Fußboden und der Decke knallt eine Farbexplosion auf die Netzhaut. Die Assoziationen zu einem psychedelischen Rausch sind nicht weit: Ein nächtlicher Wald, die in die Unendlichkeit weisenden Sterne, die vorüberziehenden Wolken und die laute Musik sind so plastisch und intensiv, dass unsere Sinne überwältigt werden. Das ist die Stärke solcher digitalen Licht- und Tonshows. Der von Kritikern vorgebrachte Einwand, dass in dieser Art der Kunstpräsentation die oberflächlichen Effekte und weniger eine subtile Sinnlichkeit im Vordergrund stehen, ist integraler Bestandteil solcher Shows. Das ist nicht schlimm, aber leider fehlt bei dieser Hommage an Lewis Carroll die Kontextsetzung. So wird man beispielsweise mit einer 3D-VideoMapping-Installation oder mit den Schlagwörtern über die Relativität von Zeit und Wirklichkeit allein gelassen. „Wir sind alle verrückt hier!“ Ja, wieso denn? Wollte Caroll mit seinen skurrilen Gestalten und der aufgeweckten Alice nicht die unmenschliche Pädagogik des Viktorianischen Zeitalters vor Augen führen? Warum haben Carolls Kinderbücher – von der Disney-Verfilmung bis zu Tom Waits, von der Malerei bis zur Oper – eine so starke Rezeptionsgeschichte? Was genau ist das Alice-Phänomen? Die Schau wirkt in der Diskussion über digitale Kunstausstellungen wie ein Warnsignal. Selbst die raffiniertesten technischen Spielereien brauchen eine Einbettung in einen erklärenden Kontext. Sonst bleibt alles nur eine verrückte Teeparty. Und ab 8. Februar geht es schon mit einer Claude-Monet-Ausstellung weiter.
Text: Mathias Schulze