Anfang der Liebe, 23. September, Leipziger Anker, 21 Uhr, alle Infos: www.anker-leipzig.de
Reinhardt Repke, der von 1988 bis 2018 Bassist der Band „Rockhaus“ war, gründete 2005 den „Club der toten Dichter“. Im Zuge dessen vertonte er Gedichte von Heine, Busch, Rilke, Schiller oder Bukowski. Nun kommt Repke mit seinem Programm „Anfang der Liebe“ in den Leipziger Anker. Dieses Mal geht es um die Lyrik von Eva Strittmatter (1930-2011). Grund genug, bei Repke nachzufragen
Hallo, Reinhardt Repke, ganz grundsätzlich: Was gewinnt ein Gedicht, wenn es vertont wird? Was wird für die Zuhörer greifbar, was sie vielleicht beim Lesen nicht erfahren? Oder anders gefragt: Warum machen Sie das?
Ganz einfach: Ich habe große Freude daran! Wenn mir eine Vertonung gelingt, bin ich glücklich. Dann spüre ich eine tiefe Befriedigung. Da hat das noch niemand gehört. Ich ganz allein mit der Gitarre vorm Text. Ein wunderbares Gefühl! Am Ende überträgt sich das auf das Publikum.
Die Reaktionen …
… bestätigen das immer wieder. Die Konzertbesucher spüren eine gewisse Leichtigkeit in den Vertonungen, die Platz lässt für eigene Assoziationen. Niemand will ihnen hier die Gedichte erklären. Eine Freundin sagte mir einmal: Ihr habt ein tolles Publikum! Alle lächeln! Ich werde übrigens nicht ganz allein auf der Bühne sein, es gibt zehn Gitarren um mich herum. Alle in verschiedenen Stimmungen, zum Teil eine Oktave tiefer und so weiter. Es sind sehr spezielle Instrumente, die auch noch alle verschönert wurden. Plus Kronleuchtern aus Küchenhelfern!
Bitte?
Ich zitiere Eva Strittmatter: „Meine Gedichte soll man nicht bei Banketten, sondern in der Küche lesen …“. Dieses Bild finde ich so schön. Man hat gegessen, Freunde sind da, die zweite Flasche wird geöffnet und dann sagt jemand: Ich muss euch ein Gedicht vorlesen! Charles Bukowski hat mal gesagt: Das Gedicht ist die Königsdisziplin. Übrigens kommt Eva Strittmatter auch zu Wort! Es gibt Originalaufnahmen von ihr, die ich zart begleite.
Wie sind Sie auf Eva Strittmatter gekommen? Was unterscheidet Ihre Poesie von beispielsweise Heinrich Heine?
Ich stelle da keine Vergleiche an. Im Gegenteil, ich lasse jedes Programm, wenn das letzte Konzert gespielt ist, los. Dann dreht sich alles nur noch um das neue Programm. Bei Eva Strittmatter fiel mir im Nachlass meiner Mutter ein Buch in die Hände – mit einer Widmung der Autorin von 1979. Ich schlug es auf, und mein Blick blieb beim Gedicht „Anfang der Liebe“ hängen. Ich hatte gerade eine alte viersaitige Gitarre gekauft und nahm sie zur Hand. So entstand die erste Vertonung und so heißt das Programm. „Die schlichte Ehrlichkeit der Auflagenmillionärin geht unter die Haut“ schrieb der „Spiegel“ einmal. Das ging mir genauso.
Schenken Sie uns jetzt hier ein besonders schönes Gedicht von Frau Strittmatter? Wie entscheiden Sie, welche Gedichte Sie nehmen?
Ich lese am Anfang monatelang die Gedichte. Ich streiche Zeilen an, vielleicht wird es ein Refrain. Dann lese ich weiter, beginne von vorn. Streiche wieder an. Später, wenn die ersten Gedichte vertont sind, lese ich noch einmal fast alles. Mein Blick ist geschärfter. Oder auch wieder freier, weil ich ja schon Songs habe, mich „sicherer“ fühle mit meiner Umsetzung. Aber das braucht Zeit, in diesem Fall fast drei Jahre. Und zwischendurch finde ich auch mal alles ganz schrecklich. Aber das gehört auch dazu. Der Trick ist: Einfach weitermachen! Welches Gedicht?
Tja, welches?
Vielleicht die letzten zwei Zeilen vom Titelsong „Anfang der Liebe“: „Erst wenn man weiß, dass sie enden kann. / Hat man den Anfang der Liebe erreicht.“
Danke! Gibt es Lyrik, die sich nicht zum Singen eignet?
Es muss alles, wie oben beschrieben, mit Leichtigkeit oder anders gesagt mit Natürlichkeit zusammenkommen. Ich kann ja keine Noten oder die Harmonielehre, bin völliger Autodidakt. Ich höre irgendwann eine Melodie oder eine Wendung, stimme die Gitarre anders – es läuft nur über das Gefühl. Da ist kein Plan oder musikalische Theorie dahinter. Und trotzdem: Alles, was ich mit etwas Druck zusammenführe, bleibt am Ende immer übrig. Stimmt eben nicht, ist nicht leicht.
Verstehen Sie so ein „Club der toten Dichter“-Konzert auch als eine Informationsveranstaltung, die biografische oder gesellschaftliche Hintergründe liefert?
Für mich zählen in erster Linie die Gedichte. Natürlich habe ich mich mit Eva Strittmatter beschäftigt. Aber erst muss ich frei sein, es geht um das Werk. Ich will wie ein Kind davor stehen, ohne jegliche Einflüsse. Eine junge Frau schrieb mir mal: „Wer immer dieser Heinrich Heine war, ich kauf’ mir jetzt ein Buch!“ Wenn ich das erreiche, bin ich glücklich. Ich will das Publikum nicht agitieren, ihnen nichts vorschreiben. Die Gedichte sollen für sich sprechen. Wenn danach Interesse an Biografischem entsteht, ist das doch viel nachhaltiger.
Abschließend: Was ist Glück?
Jetzt gerade ist für mich Glück, wenn eine Idee, ein Gefühl den richtigen Moment trifft, etwas Neues entsteht. Alles wie von Zauberhand am Ende zueinander fin- det. In ein paar Tagen kommen CD und Vinyl aus dem Presswerk. Die Schallplatte übrigens als Re-Vinyl, da ist jede Scheibe ein Unikat! Das wird wieder ein Glücksmoment sein. Und dann freue ich mich auf die vielen Glücksmomente auf Tour. Auf den Anker freue ich mich ganz besonders. Von Anfang an hat der „Club“ dort gespielt: Tolles Publikum, tolles Team um Heike Engel! 150 Jahre Anker! Wow! Ein Glück für Leipzig!
Text: Max Feller