Heimat ist ein Raum aus Zeit, www.bpb.de/mediathek/ 319173/heimat-ist-ein-raum-aus-zeit
Der Dokumentarfilm „Heimat ist ein Raum aus Zeit“ von Thomas Heise ist eindringlich, kraftvoll und erschütternd. Jetzt kann er auch auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung angeschaut werden
„Das ist, was ich zu sagen habe und mit mir herumschleppe. Es ist nicht so, dass es nicht noch sehr viel mehr gäbe. Jetzt aber das.“ So beantwortet Thomas Heise, Jahrgang 1955 und Sohn des Philosophen Wolfgang Heise, die Frage, ob er seinen Dokumentarfilm „Heimat ist ein Raum aus Zeit“ (2019) als Kommentar zur Gegenwart versteht.
Unterliegt man der Versuchung, den Heise-Kommentar zum aktuellen Gesehenen aus dem 220 Minuten langen Film extrahieren und niederzuschreiben zu wollen, eröffnet sich eine überwältigende Sprachlosigkeit, die die großartige Kunstfertigkeit dieses so eindringlichen, kraftvollen und erschütternden Filmes bezeugt.
Geschenkt wird ein nicht in Worte zu fassender Zugang, ein anschaulich-lebendiger Blick in das, was man heute die Identität der Deutschen nennen kann. Gesammelt sind die biografischen Spuren der Heise-Familie von 1912 bis 2014, die zugleich die Kollektiverfahrungen des 20. Jahrhunderts erzählen.
Eine Geschichte über Kriege, über die Judenverfolgungen, die Stasi, den Kalten Krieg. Eine Geschichte über die Nachwende-Erfahrungen, über die Literatur und die Philosophie. Alles ist eingebettet in der Suche nach dem Glück, in den Zwischenmenschlichkeiten namens Liebe, Treue und Verrat.
In fünf Kapiteln liest Thomas Heise langsam und eindringlich Briefe, Notizen, Tagebucheinträge und Erinnerungen seiner Vorfahren vor, die allein schon wegen ihrer feinen Sprache hörenswert sind. Hinzu kommen Fotos, Töne, Geräusche, Stimmen und Originalaufnahmen, so sieht man beispielsweise Heiner Müller mit Wolfgang Heise über Brecht diskutieren.
Zärtlich fährt die Kamera über Landschaften und moderne Großstädte, man sieht zerrissene Straßen, Züge, Gleise und Weggabelungen. Die begleitenden Schwarz- Weiß-Aufnahmen erschaffen einen Raum, in dem das Beständige im Wechsel der Zeit sichtbar wird: das Kleinbürgertum, der Nationalismus, die Unterdrückung und die Lust zu leben als deutsche Konstante.
Zudem werden die modernen Rezeptionsweisen der digitalen Welt durch die Art des Erzählens einer kritischen Prüfung unterworfen.
Heise ist ein Film gelungen, der sich nach dem Anschauen mit seiner epischen Traurigkeit und Lebenslust, mit seinem Beharren auf einen historischen Blick nicht mehr von der Seele spülen lässt. Mittlerweile ist der Film als DVD erhältlich.
Text: Max Feller