GUNDA – the movie
Mitten in der Pandemie braucht man Filme, die man daheim auf der heimischen Couch sehen kann. Victor Kossakovskys Dokumentarfilm „Gunda“, der nun auf DVD oder als Stream erhältlich ist, ist hiermit empfohlen. Ein Plädoyer für das Recht auf Leben jener Lebewesen, die oft nur „Nutztiere“ genannt werden
Alles beginnt mit einem der größten Wunder der Natur: Die Geburt. Sofort eröffnen die Schwarz-Weiß-Bilder einen poetischen Raum. Wir sehen einen Bauernhof, das Hausschwein „Gunda“ und ihre kleinen Ferkel. Es gibt keine Musik und keine Untertitel – nichts stört die ruhige, klare Bildsprache der Nahaufnahmen.
Gunda atmet, die Ferkel grunzen, saugen und spielen. Das Stroh ist frisch, der Stall lichtdurchflutet, der Wind rauscht, die Gräser wispern. So geht es minutenlang, den ganzen Film über. So wird unsere Aufmerksamkeit von Harmonie und Glück gefangen genommen. Zeitlos, dieser Frieden ist zum Weinen schön.
Der Regisseur Victor Kossakovsky erklärt: „Ich will es den Menschen ermöglichen, Tiere als Geschöpfe mit Empfindungen wahrzunehmen und sie ermutigen, darüber nachzudenken, dass Tiere ein Bewusstsein und ein eigenes Ich oder eben eine eigene Persönlichkeit haben.“ Und wie ihm das gelingt! Die Kamera war so montiert, dass sie auch ohne menschliches Zutun filmen konnte. Kossakovskys Nahaufnahmen sind berührend, weil sie die Anmut und Würde eines freien Tieres einfangen.
Da sieht man Kühe aus den Ställen galoppieren – fast scheint es, als würden sie Freudensprünge vollführen. 93 Minuten lang wird die Aufmerksamkeit erregend angespannt – inmitten des Vogelgezwitschers und der wunderbaren Naturgeräusche weiß man um die Realität, um die Massentierhaltung und deren Tierquälerei.
Die Aufnahmen zeigen, dass und wie die Tiere untereinander und auch mit der Kamera kommunizieren, sie zeigen symbiotisches Verhalten. Dann werden die Ferkel abgeholt. Kossakovsky, der im Film auf Erklärungen verzichtet, beschreibt seine Motivation so: „Versuchen Sie ein Gedankenexperiment: Stellen Sie sich Kreaturen vor, stärker als wir, intelligenter als wir, die uns unsere Babys wegnehmen, nachdem sie geboren sind, um sie zu füttern und dann zu töten. Das machen wir mit Tieren. Geschichte wird von den Siegern geschrieben.“
Man verrät nicht zu viel, wenn man erzählt, dass Gunda natürlich ihre verschwundenen Kinder sucht. Entstanden sind intensive, herzzerreißende Szenen. Man ringt um Fassung.
Text: Max Feller