Thea Klar & Band, 7. Juni, Horns Erben, 20 Uhr, www.theaklar.com
Indie-Pop mit Haltung und Tiefgang. Die Leipziger Musikerin Thea Klar, die heute in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete arbeitet, legt im Juni ihre dritte EP namens „Tief tauchen“ vor. Zudem spielt sie mit Band im Horns Erben. Mathias Schulze hat bei Klar nachgefragt
Hallo, Thea, Ihre Songs sind sphärisch, metaphorisch, teils verträumt, teils wuchtig, politisch, aber nicht belehrend. Wie schaffen Sie die denn die Kunst, die Musik so neben der Arbeit, was treibt Sie an?
Texte schreiben und Musik machen ist etwas, das ich einfach tue – es ist therapeutisch für mich und oft keine Entscheidung, sondern ein innerer Drang. Manchmal frage ich mich eher, wie ich meine Arbeit als Pädagogin neben meiner Musik noch schaffe. Ich mache beides in Teilzeit – und beides mit Herzblut.
Sind Sie eigentlich gebürtige Leipzigerin?
Nein, ich komme aus einem kleinen Dorf in Hessen. Aber ich lebe seit vielen Jahren hier und fühle mich hier Zuhause.
Sprechen wir über Ihre Arbeit. Sie waren bis 2020 auf der Insel Lesbos unterwegs, hatten dort in einem selbstverwalteten Camp für Geflüchtete gearbeitet. Was haben Sie dort erlebt, welche Bilder werden Sie nicht mehr los?
Ich habe beobachtet, wie sich die menschenverachtende EU-Außenpolitik auf Einzelschicksale auswirkt. Ich habe Menschen getroffen, die Angehörige bei der Flucht über das Meer verloren haben. Ich habe gesehen, wie 20.000 Menschen in einem Camp leben, das für 3.000 Menschen ausgelegt ist. Ich habe erlebt, was es heißt, privilegiert zu sein. Mich hat die Arbeit dort wohl für immer geprägt. Und doch war ich selbst nur Zeugin und nie selbst Betroffene. Ich hatte immer die Freiheit, die Insel zu verlassen. Nach dem Brand vom Camp Moria im September 2020 lebten 20.000 Menschen ohne Infrastruktur unterversorgt auf den Straßen. Uns wurden Fotos geschickt von Müttern mit Babys, von vulnerablen Einzelpersonen – und wir konnten nicht alle unterstützen. Dieses Gefühl werde ich nicht vergessen. Es treibt mich an, mich weiterhin gegen solches vermeidbares Elend und Unrecht einzusetzen.
Erzählen Sie uns bitte von Ihrer jetzigen pädagogischen Tätigkeit in Leipzig! Sie arbeiten seit Dezember 2020 in einer Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete und betreuen dort die ankommenden Kinder.
Wir haben einen schönen Raum, den man sich wie eine Kita vorstellen kann. Fast jede Woche kommen neue Kinder hinzu, alle paar Wochen verabschieden wir uns von Kindern, die entweder in ihren zugewiesenen Landkreis in eine Gemeinschaftsunterkunft kommen oder ins nächste Lager müssen. Wir versuchen eine feste Tagesstruktur zu etablieren, um Sicherheit zu geben. Die meisten Kinder haben ja schon vieles erlebt – manche kennen nur das Leben in Lagern, das Leben auf der Flucht, manche haben gefährliche Fluchtwege überlebt. Jeden Tag machen wir gewöhnliche Aktivitäten: Basteln, Lego und Sandburgen bauen, Bewegungslieder. Alles mit Sprachbarriere, aber wir kommen gut miteinander zurecht. Es ist schön zu merken, wie die meisten Kinder nach einigen Wochen bei uns ruhiger werden, Stabilität erfahren – und zugleich schmerzt es zu wissen, dass sie sich bald wieder in eine neue Umgebung einfinden müssen, dass auch diese Einrichtung nur eine Zwischenstation ist. Massenunterkünfte sind keine Orte für Kinder, sie sollten sofort in einem Haus leben dürfen und sofort an einem Ort ankommen, an dem sie Freundschaften und Bezugspersonen nicht wieder verlieren.
Zur Musik: Sind Sie mit den Bedingungen, die Sie in Leipzig vorfinden, zufrieden? Was ist gut, was muss besser werden? Und was würden Sie machen, wenn Sie plötzlich ganz allein von der Musik leben könnten?
Im Großen und Ganzen bin ich ganz zufrieden – es haben sich in den letzten Jahren Netzwerke gebildet, die ich gern mag – zum Beispiel den Verein „Music S Women*“, der sich für mehr Präsenz von Flinta* auf Sachsens Bühnen einsetzt. Wenn ich von der Musik allein leben könnte, dann würde ich mehr davon machen: Mehr schreiben, mehr live spielen, mehr ausprobieren. Und dann hätte ich sicher noch ein bisschen Zeit um mich politisch einzubringen, denn der Faschismus wehrt sich schließlich nicht von allein ab.
Arena oder Club?
Club.
Was ist Glück?
Glück ist für mich, im Moment zu sein und im Hier und Jetzt Freude zu empfinden – wie dunkel auch immer die Umstände sein mögen.
Wie sehen deine Pläne und Ziele aus?
Im November fahre ich mit meiner Band auf eine Tour durch Deutschland – von Kiel bis Kempten und einige Stationen dazwischen. Zur Zeit gründe ich noch mit anderen Menschen eine neue Band. Davon wird es hoffentlich nächstes Jahr etwas zu hören und live zu erleben geben.
Text: Mathias Schulze