Shitney Beers & Tigeryouth. 8. März, Conne Island, 20.30 Uhr, Tickets: conne-island.de
Ein zärtlicher Indie-Folk und ordentlich krachende Gitarren, ein gehauchter Gesang und knallige Drums. Shitney Beers aus Hamburg zieht auf ihren Album „this is pop” enorm viele Register. Da trifft ein rotziger Punk auf eine wunderbare Melancholie, da trifft eine berührende Intimität auf einen intensiven Rock und Grunge. Am 8. März spielt Beers im Leipziger Conne Island. Grund genug, bei der Künstlerin nachzufragen. Ein Gespräch über den Zustand der Welt, über Enteignungen und über die amtliche 80er Klatsche
Liebe Shitney Beers, gab es eigentlich bislang eine gelungene journalistische Nachfrage in Bezug auf Ihren Künstlernamen? Wenn ja, welche war das?
Nicht wirklich. Es ist immer dieselbe Frage: „Shitney Beers. Wie kamst du auf diesen Namen?” Manchmal aber auch: „Jetzt würde mich aber mal interessieren, wie man auf so einen Namen kommt!” Oder kurz und klassisch: „Warum?” Je nachdem, was man unter gelungene journalistische Nachfragen versteht, könnte es das sein. Oder auch nicht.
Irgendwo habe ich gelesen, dass Ihre Sicht auf die Welt eine „wilde Mischung aus Nachdenklichkeit, Wut, Lethargie und Ohnmacht“ sei. Fangen wir also so an: Was macht sie nachdenklich, wütend, lethargisch und ohnmächtig?
Zugegebenermaßen weiß ich auch nicht so recht. Das habe ich für die dpa geschrieben, um möglichst erhaben und interessant zu klingen. Grundsätzlich denke ich einfach viel zu viel nach, über jede Kleinigkeit. Die Dummheit vieler Menschen macht mich wütend, vor allem meine eigene. Es ist dieselbe Wut, die viele von uns haben: Auf die Ungerechtigkeit dieser Welt, auf verschiedene Regime und auf den Kapitalismus. Dann die Wut auf uns selbst, weil wir trotz dieser Wut nichts unternehmen, weil wir uns einfach so sicher fühlen. Um für Menschen einzustehen, die ungerecht behandelt werden, müssen wir uns in unsicheres Terrain begeben und dieses verwöhnte, kuschlig-warme Leben eventuell aufgeben - und dazu sind wir nicht bereit. Dann gibt es Leute, die denken sie tun etwas und laden Videos bei Instagram oder TikTok hoch in denen sie ihr Klassenbewusstsein groß kundtun und mit erhobenem Finger gegen privilegierte Leute wettern, während sie (vermutlich) auf Papas Nacken erst Süd-Ost-Asien bereisen, anschließend ein Politikwissenschaftsstudium absolvieren und dann in Hamburg oder München in einer eigenen neu sanierten Altbau Wohnung leben...
Und die Lethargie.
Die fühle ich eigentlich die meiste Zeit. Wobei Ennui vielleicht das bessere Wort ist. Ich habe das Gefühl, dass es vielen Leuten in meinem Umfeld so geht: Vor zehn Jahren noch fleißig auf Demonstrationen gegangen und jetzt von all dem Leid und der Ungerechtigkeit so abgestumpft, dass der Zynismus den inneren hoffnungsvollen Optimisten besiegt. Nichts schockt mehr. Nichts begeistert mehr. Nichts macht mehr so richtig und nachhaltig glücklich. Irgendwie ist mir auch so vieles einfach egal.
Und die Ohnmacht …
… fühle ich, weil ich in dieser Welt nichts anrichten kann. Aus oben genannten Gründen. Ich bin nicht privilegiert genug, nicht Mann genug, nicht groß genug, nicht einflussreich genug, nicht stark genug, nicht laut genug, nicht ernst genug, nicht nett genug, nicht wohlhabend genug, nicht bereit genug, nicht klug genug, nicht altruistisch genug. Einfach nicht genug.
Auf Facebook bewerben Sie einen Konzertbesuch von Ihnen mit den Worten, dass man sie jetzt noch live sehen sollte „bevor ich der Superstar der Nation werde“. Ein schöner Gedanke: Was würden Sie machen, wenn Sie „Königin von Deutschland“ wären?
Habe ich das wirklich geschrieben oder war das das Label? Aber für das Gedankenexperiment bin ich bereit. Also, die allererste Amtshandlung: Vermieter und Vermieterinnen enteignen und dann die Monarchie abschaffen.
Sie kommen jetzt nach Leipzig. Waren Sie schon einmal hier? Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit dem Osten machen dürfen?
Gespielt habe ich in Leipzig tatsächlich noch nicht. Um ehrlich zu sein, sind meine Erfahrungen im Osten bislang nicht so zahlreich. Chemnitz war toll, Dresden war ereignisreich, Magdeburg war bestimmt auch gut - da sind mir die Erinnerungen ein wenig flöten gegangen. Jena war top, Potsdam immer eine Ehre. Leider sehe ich nicht viel von den Städten, weshalb auch meine Erfahrungen nicht unbedingt viel wert sind. Die Landschaft und die Autobahnen hingegen kenne ich wie meine Westentasche. Auch Hitradio RTL-Sachsen höre ich gerne mal am Wochenende. Da gebe ich mir die amtliche 80er Klatsche.
Ihre Shows sollen teils im Kontrast zum Album stehen. Was erwartet uns in Leipzig?
Das kann ich jetzt auch noch nicht sagen. Allerdings werde ich dann auch mit Band unterwegs sein, was bedeutet, dass ich mich weniger unsicher auf der Bühne fühle. Soll heißen: Das wird ein dynamischer Abend voll trauriger Musik. Alles geschmückt mit grotesken Kommentaren und schlechten Witzen.
Glück. Das ist ein großes Wort: Was bedeutet es für Sie?
Glück ist eine vom Menschen gemachte Ideologie, deren einziger Zweck darin besteht, Menschen unglücklich zu machen.
Text: Mathias Schulze