„R.I.P. – Die letzte Adresse. Tod und Bestattungskultur in Leipzig“, bis 1. September, Stadtgeschichtliches Museum Leipzig, Haus Böttchergässchen 3, Di-So und Feiertage von 10 bis 18 Uhr, www.stadtgeschichtliches-museumleipzig.de
Weithin gilt der Tod als größtes Tabuthema des modernen Menschen. Er wird eher als Zumutung empfunden, über die man nicht nachdenken möchte. Über Jahrtausende hinweg aber galt das Sterben als selbstverständlicher Teil des Lebens. Man bereitete sich darauf vor, umgab sich mit Ritualen, Gerätschaften und Musiken, nahm Abschied von Sterbenden, begleitete ihr Hinscheiden und hielt auch nach dem Tode ein unsichtbares Band der Zusammengehörigkeit aufrecht. Wie generell im christlichen Europa spielten die Kirchen in Leipzig über Jahrhunderte die wichtigste Rolle bei der Bestattung. Später entwickelten sich Vereine und Institutionen, die sich diesem Aspekt des Lebens verschrieben. Wo in der Stadt und vor allem wie fanden die vorangegangenen Generationen ihre letzte Ruhe? Wie sah es in der Vergangenheit für Angehörige anderer Religionen aus? Und wie ist das heute? Der große Bogen der Schau spannt sich von frühgeschichtlichen Bestattungen über mittelalterliche und frühneuzeitliche Beisetzungen in den Kirchen bis zur staatlichen Aufsicht über die Totenfürsorge, von dem Aufkommen säkularen Brauchtums bis hin zu zeitgenössischen Formen des letzten Weges eines Menschen. Drehund Angelpunkt ist dabei immer die Leipziger Ausprägung von meist in ganz Mitteleuropa verbreiteten Praktiken. Ein Kapitel der Ausstellung stellt den für Leipzig so wichtigen Alten Johannisfriedhof und seine Entwicklung bis zur Aufhebung in den Mittelpunkt, ein anderes die Versuche der DDR, auch für die Bestattungskultur neue sozialistische Rituale zu entwickeln. Zu sehen sind beispielsweise spätmittelalterliche Gedenktafeln aus Leipziger Kirchen, ein Leipziger Pestkarren des 17. Jahrhunderts, Totenmasken Leipziger Bürger oder Grabbeigaben des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Die Ausstellung fragt nach heutigen Entwicklungen, nach modernen Bestattungsformen und einer sich wandelnden Erinnerungskultur. Interviews mit Menschen, die sich aus professionellen Gründen intensiver dem Thema widmen - unter anderem Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Religionen - geben weiterführende Impulse. Die Ausstellung ist eine Entdeckungsreise, die Erstaunliches, Überraschendes und nicht nur Todtrauriges präsentiert. Eine Begleitpublikation und ein umfangreiches Begleitprogramm runden eine sehenswerte Schau ab.
Text: Max Feller