Mythos Mosaik? Hannes Hegen, sein Werk und die Fans, bis 31. Mai 2026, Zeitgeschichtliches Forum Leipzig, Di-So, feiertags von 10 bis 18 Uhr
Warum bei der Schau „Mythos Mosaik?“ im ZgF Fragen offen bleiben
„Hegens Werk hat Generationen geprägt - nicht nur als Lektüre, sondern als kollektives Kulturphänomen.“ Im Eingangsbereich des kleinen Ausstellungsraumes, der „Galerie“ im Zeitgenössischen Forum (ZgF), werden großen Worte aufgefahren, wie dieses Zitat von der Literaturkritikerin Uta Pappelbaum. Mehr noch: „Mosaik ist das Volksmärchenbuch der Ostdeutschen, der Baedeker ihrer kindlichen Träume“, wie der Journalist Christoph Dieckmann sagt. Geht es eine Nummer kleiner? Nein!
Moment! Stehenbleiben, innehalten, Begriffe ernst nehmen! Was soll die „besondere ostdeutsche Mentalität“ sein, welche Rolle spielt das „Mosaik“ dabei, inwiefern ist jene ostdeutsche Ausprägung, also auch das Verhalten an der Wahlurne, das Einbringen in gesellschaftliche Debatten, bis heute relevant? Um es vorweg zu nehmen: Die Schau „Mythos Mosaik? Hannes Hegen, sein Werk und die Fans“ eröffnet zwar mit schweren Geschützen, kann sie aber nicht abbilden. Dabei beschäftigt sich das ZgF, seit 2009 im Besitz von Hannes Hegens Nachlass, bereits zum fünften Mal mit dem „Mosaik“.
Im Vordergrund der Schau steht das 70-jährige Jubiläum des „Mosaiks“, steht Hegens 100. Geburtstag in diesem Jahr. Gerahmt wird das Ganze durch eine aktive Beteiligung von fünf Fans, die einen Bereich mit kuratiert haben. Detailliert geht es in die Hegen-Biografie: Fotos zeigen ihn quer durch seine Lebensjahre, in seinen zeichnerischen Anfängen erwarb er sich beispielsweise durch die Gestaltung eines Kobolds für eine Altstoffsammel-Kampagne das Vertrauen jener DDR-Obrigkeit, die später seine Bildgeschichten steuern wollte.
Ein Hakenschlagen hier, ein Kompromiss da, ein spitzfindiges Beharren auf die künstlerische Freiheit dort. Irgendwann waren die Verkaufszahlen des „Mosaiks“, das ideologische Jugendpublikationen querfinanzierte, zu groß. Hegen hatte sich weitestgehend unangreifbar gemacht. Obwohl in Digedags-Bestzeiten die monatliche Auflagenzahl bei über 600.000 Heften lag, wurde das „Mosaik“ zur Bückware. Die Schau zeigt ein Schriftstück der SED-Bezirksleitung Berlin aus dem Jahr 1953, der Kampf gegen westlichen „Schmutz und Schund“ in bürokratischer Sprache: „Die Comics stellen eine ideologische Unterstützung der aggressiven Politik der Stärke dar und sollen die Jugend in ihrem Sinn zu willigen Söldnern im Dienste der Imperialisten ‚erziehen‘.“
1955 flatterte also das erste Digedags-Mosaik mit seinen Geschichten aus der weiten Welt in die bald von innerdeutschen Mauern umgebenen Wohn- und Kinderzimmer. Wer die Geschichte um Hegens Bruch mit dem FDJ-Verlag „Junge Welt“ im Jahr 1975 noch einmal erklärt bekommen möchte, wird in der Schau fündig. Und staunen kann man über die Kreativität der Liebhaber - von Holzarbeiten, Ritter Runkels Burg als detailverliebter Nachbau aus Pappe bis FanMagazinen oder Comic-Stammtischen.
Schade ist es, dass eine Notiz unaufgearbeitet im Raum hängt. Der Autor Jens Mätschke wird so zitiert: „Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass rassistische Darstellungen in den untersuchten Mosaik-Heften deutlich erkennbar hervortreten.“ Spitz gefragt: Gehört das zur „ostdeutschen Mentalität“ dazu? Und was ist mit der Bedeutung des „Mosaiks“ für die Ausprägung jener besagten Mentalität? Inwiefern spielen da Abenteuerund Reiselust, ethische Wertevermittlung, Rebellion gegen „das Kapital“ oder historisches und naturwissenschaftliches Wissen, die noch heute das „Mosaik“ konstituieren, eine Rolle? Gerade im Vergleich zu anderen (westdeutschen) Comics? Und warum ist die FanSzene heute vornehmlich männlich aufgestellt? Und was die Gründe für die minutiöse Sammelleidenschaft? Eins ist sicher: Der Brückenschlag zur Gegenwart schreit nach einer sechsten, umfassenderen Ausstellung.
Text: Mathias Schulze
