Laura Liebeskind: Dionysos, 20. April, Kupfersaal Leipzig, 20 Uhr
Den Leipziger Musiker Tim Ludwig kennt man noch bestens aus dem ehemaligen Duo „byebye”. Aber was macht er heute so? Ein Gespräch übers Älterwerden, Gentrifizierungsprozesse, mediale Vermarktungen, seine Zusammenarbeit mit der Leipzigerin Laura Liebeskind und über das erste reine Tim Ludwig-Album, das gerade entsteht
Mit dir bekommt man die volle Dröhnung „Leipzig“. Du bist in Leipzig geboren, Du hast hier an der Hochschule für Musik und Theater (HMT) studiert, Du bist in Leipziger Bands unterwegs, du wohnst hier. Jetzt mal Hand aufs Herz: Wolltest Du nie weg? Warum bist Du denn immer noch hier?
Ich bin tatsächlich schon ziemlich rumgekommen, habe auch mal in Jahr in den USA gelebt. Aber ich mag mein Leipzig! Die Stadt ist bombastisch zum Leben, und außerdem habe ich hier mein Umfeld, das ist mir am wichtigsten: Hier habe ich meine Familie, meine Freunde. Und es gibt Wald – mitten in der Stadt! Und Kultur ist auch mehr als genug da.
Wo bist Du denn momentan überall kreativ? Wie sieht so ein waschechter Durchschnittstag aus?
Im Moment ist grad alles ein bisschen anders, denn ich bin vor einem Jahr Papa geworden, teile mich mit meiner Frau rein.
Das heißt?
Eine halbe Woche wechsele ich Windeln, gehe mit Hund und Kind im Auwald spazieren und singe Kinderlieder. Die andere halbe Woche steht mir zum Arbeiten zur Verfügung – und Arbeiten besteht zur Zeit meist aus Unterrichten.
Konkreter bitte!
Ich bin Dozent an der HMT Leipzig und gebe Privatunterricht. Allerdings „schleiche“ ich mich manchmal abends raus und düse in den Proberaum.
Oha!
Ich bastele gerade an einem Solo-Album, das ich bald releasen will.
Es gibt noch mehr!
Ich trete immer mal vereinzelt mit Künstler und Künstlerinnen auf. Oder ich nehme neue Platten auf – beispielsweise mit meiner guten Freundin Laura Liebeskind oder mit Friedrich Rau, für den ich vor zwei Jahren ein Album geschrieben und aufgenommen habe (ElektroSwing mit deutschen Texten) und bei dem ich jetzt als Gitarrist und Songwriter in der Band gelandet bin. Wir sind diesen September auf Deutschland-Tour und im Oktober auf AmerikaTournee.
Du bist Jahrgang 1982. Was siehst Du für Veränderungen, wenn Du durch deine Heimatstadt schlenderst?
Da du schon mein Alter erwähnst: Das sind über 40 Jahre – da ist einiges passiert. Also erst einmal, muss ich sagen, dass die Entwicklung toll ist, wenn man sich an die verdreckte Stadt aus Ostzeiten erinnert. Soviel ist restauriert, überall gibt es Cafés, Kneipen, kultige Läden. Da muss man schon von einer tollen Entwicklung sprechen. Aber es gibt in diesem Gentrifizierungsprozess auch negative Seiten.
Wir nennen sie noch einmal!
Unbezahlbare Mieten, jede Lücke wird zugebaut, jede Menge gescheiterte Ladenbesitzer-Existenzen, die sich für bestimmte Projekte aufgeopfert haben. Oder auch, dass der Besitz der Häuser so wenig in ostdeutscher Hand liegt. Das kann man mit Sorge betrachten. Aber ich bin gerade bei keinem Panel für Stadtentwicklung. Generell ist das eine tolle Entwicklung, die Leipzig nimmt. Man sollte nicht aus dem Auge verlieren, dass es uns heute viel besser geht, als vor 30 Jahren.
Was hat sich in der künstlerischen Szene geändert?
Man kann gar nicht alles überblicken. In meinem Kosmos sehe ich die Hochschulstudenten - da bin ich beeindruckt, was da so nachkommt. Tolle Stimmen, richtig gute Drummer, Pianisten und, und, und. Wie die es schon drauf haben, sich medial zu inszenieren – muss man ja heute machen, um aufzufallen. Ist schon krass, was das für ein Wettbewerb um Aufmerksamkeit geworden ist. Was aber immer noch fehlt, ist ein richtig geiler Musikclub – mit richtig gutem Sound, Plüsch an der Wand und einem Kick-Butt-Tontechniker. Vielleicht gibt es den schon, aber ich habe ihn noch nicht entdeckt.
Fällt es Dir heute schwerer, als kreativer Geist durchs Leben zu kommen? Sehnst du dich nach Verbeamtung?
Ich hätte es nicht ansprechen sollen - das mit dem Alter. Aber ist einfach eine gute Frage. Ich habe vor zwei, drei Jahren überlegt, meinem eigentlichen Beruf, Lehramt Musik und Geschichte, nachzugehen. Aber nach schlaflosen Nächten ist mir wieder klargeworden, dass ich das mit der Musik immer noch will. Ich kann nicht anders. Ich denke mittlerweile nicht mehr darüber nach, ob ich auch ein anderes Leben hätte leben können. Und bin gerade glücklich – da, wo ich stehe. Aber ja, es ist schon schwer, nur allein von der eigenen Musik zu leben. Es gibt so viel gute Musik, so ein Überangebot, es ist nicht leicht aufzufallen. Es reicht nicht mehr nur Musiker zu sein. Irgendwie muss man auch Marketingstratege, Busfahrer, Booker oder Content-Creator sein. Da braucht man viel Disziplin und Kraft. Andererseits ist auch alles so zugänglich.
Erzähle!
Früher war das Aufnehmen von Songs nur wenigen vorbehalten, weil der Prozess einfach so teuer war. Heute kann jeder sein Album im Wohnzimmer aufnehmen. Ich bin ein bisschen hin und her gerissen, aber wenn du mich fragst, ob es heute schwerer ist, als früher, dann würde ich eigentlich sagen: Eher nicht.
Was ist Glück?
Gesund sein – physisch und mental. Gute Menschen an der Seite, die einen ehrlich spiegeln, mal einem etwas aufgeben, mal einen auffangen. Und das man im Moment lebt.
Pläne, Ziele?
Gesund bleiben! (lacht) Rein musikalisch gesprochen habe ich jetzt Lust, mein erstes reines Tim Ludwig-Album zu machen, so mit allem Drum und Dran: Schreiben, Aufnehmen, Einspielen, Musikvideo, eine kleine Tour. Aber ich mache ganz gemach, versuche mich nicht von der schnelllebigen Zeit anstecken zu lassen.
Text: Mathias Schulze