The German Dream – Utopien aus den Reihenhäusern, bis 11. August, Grassi- Museum für Völkerkunde, www.grassi-voelkerkunde.skd.museum
Text: Mathias Schulze
Auf der Suche nach dem „deutschen Wesen“. Das Grassi-Museum für Völkerkunde sucht in der Ausstellung „The German Dream – Utopien aus den Reihenhäusern“ eine Chimäre
Anfangs kann das Interesse groß sein, eine „Feldforschungsreise quer durch die materiellen Zeugnisse, Eigenarten und Imaginationswelten“ der Gemeinschaft „der Deutschen“ wird im Eingangsbereich der Ausstellung „The German Dream – Utopien aus den Reihenhäusern“ versprochen.
Die Gemeinschaft der Deutschen? Während man sich fragt, was und wer das sein soll, betritt man eine Reflexionsebene, die die Schau nicht zu bedienen weiß. Irritierend ist es, dass ein so offenkundig auch heute instrumentalisierter Begriff wie das kollektive „Wir“, also „die Deutschen“, gar nicht thematisiert wird, sieht man mal von den gesetzten Anführungszeichen ab. Stattdessen steht man in einem durchaus imposanten Sammelsurium aus Fotografien, Kunstinstallationen, Materialsammlungen und Videos. Weiße Socken in Sandalen, Bier, Autobahnen und Gartenzwerge.
Hier geht man tatsächlich auf Merkmalssuche des „deutschen Wesens“. Die Problematik, die damit verbunden ist, kann erläutert werden: Da ist eine ehemalige Leipziger Kneipe, die nach 143 Jahren wegen Mieterhöhung schließen musste, fast komplett zu sehen. Okay, aber Verdrängung und Gentrifizierung trifft die deutsche Finanzelite anders, als den deutschen Mittelständler – von der „Gemeinschaft der Deutschen“ keine Spur.
Oder nehmen wir die Bierdeckelsammlung, da ist notiert: „Ich bin so deutsch, dass ich nachts an der roten Ampel warte.“ Ja, Disziplin ist eine Eigenschaft, nur wird die vielzitierte „deutsche“ Disziplin in den verschiedensten Schichten ganz unterschiedlich gelebt – von der „Gemeinschaft der Deutschen“ keine Spur.
Nehmen wir die Fastnachts- und Faschingsbräuche. Ist es nicht Aufgabe einer ethnologische Untersuchung zu klären, wer und warum derlei Verkleidungen zelebriert werden? Stattdessen sieht man ein paar Kostüme. Oder nehmen wir den Raum namens das „Kellerloch der Nation“: Was hat das Rammstein-Video zum Song „Deutschland“, ein popkulturelles Phänomen, mit dem vor einer Nietzsche-Büste posierenden Hitler zu tun? Statt der seit Jahrhunderten andauernden Raserei nach der Chimäre des „deutschen Wesens“ nachzugeben, hätte man eben diese Raserei thematisieren können. Das wäre lohnenswert gewesen.