Herrgottswinkel, bis 13. Juni, Galerie ARTAe in der Gohliser Straße 3, alle Infos: www.artae.de/metulczki
Der Leipziger Maler Metulczki, der mit bürgerlichen Namen Marian Elsner heißt, stellt bis 13. Juni in der „Galerie ARTAe“ Werke seiner Reihe „Trinkgedächtnisse“ aus. Die Schau trägt den Titel „Herrgottswinkel“. Grund genug, bei Metulczki, Jahrgang 1971, nachzufragen
Bierglas-Bilder, Kneipen, sogenannte „Trinkgedächtnisse“ – siehe auch das kleine Bild auf dieser Seite: Wie kommen Sie eigentlich auf dieses Sujet?
Ich bin in Thüringen, in einem Dorf aufgewachsen. Die Dorfkneipe war für mich schon in den 80er Jahren ein faszinierender Ort. Am Stammtisch kamen Leute zusammen, die vielleicht sonst nichts miteinander zu tun hatten. Es war ein sozialer Ort. Später habe ich in Erfurt, in Bayern oder Berlin genau auf die Eckkneipen, auf die Arbeiterkneipen, auf’s Biertrinken auf dem Lande geachtet. Als ich 2004 eine Wanderreise durch Tschechien unternahm, habe ich viel fotografiert. Die entstandenen Schnappschüsse habe ich malerisch umgesetzt. So entstand die Idee, eine Serie daraus zu machen.
Stichwort „Sozialer Ort“. Sie verzichten auf die Menschen?
Das stimmt nicht ganz. Ab und an ist ein Rundrücken, sind Hände zu sehen.
Meine ersten Assoziationen staunten über das Helle, das Harmonische, das Paradiesische, das in Edward-Hopper-Manier die Tristesse nicht vergisst, aber wohl das Verruchte, das Abgründige, das Dreckige der Eckkneipe im Kopf des Betrachters belässt.
Das ist Ihr Blick auf die Bilder. Mir geht es um die Synchronität der Dinge. Die Hopper-Assoziation ist nicht verkehrt, im besten Falle ist alles gleichzeitig da: Die Tristesse, die Einsamkeit, die Melancholie, aber auch die Geborgenheit, die eine Kneipe haben kann. Die Kneipe als Ort, an dem der Irrsinn der Welt draußen bleiben muss. Deswegen arbeite ich mit Farben und Spiegelung, die fast schon religiös anmuten. Kleine Acryl-Lasurgemälde. Das Verruchte, das Dreckige der Kneipe allein wäre mir zu sehr Abbild, zu geschwätzig: Das ist nicht mein künstlerischer Ausdruck. Ich bin kein Illustrator des Abgrundes, sondern bündele die vielen Aspekte – und zwar nicht laut, sondern eher leise. Vielleicht ist das Romantische ein Schwerpunkt meiner „Trinkgedächtnisse“.
Das einsame Bierglas.
Und der kurze Frieden im Safe Space, der natürlich Abgründe bereithält. Licht und Dunkelheit, Staub und Glanz, Spiegelungen und Verzerrungen, Heimelichkeit und Tristes, ja Tragik - das sind meine Themen. Letztlich sind meine Werke aber auch eine Chronik des Verschwindens. Die Kneipen auf dem Land, die Arbeiterkneipen, die städtischen Treffpunkte, an denen Linke alt werden, oder auch die Kaschemmen, in denen sich der Alkoholiker am Tag seinen Pegel holt und die am Abend leergefegt sind, sind praktisch verschwunden oder stark vom Verschwinden bedroht.
Damit geht der soziale Ort verloren. Jeder digitalisiert für sich allein?
Schöne Formulierung.
Sie wohnen seit 2005 in Leipzig. Wie haben Sie den Wandel der Stadt bis heute wahrgenommen?
Als ich hier ankam, hieß es noch, dass Leipzig eine schrumpfende Stadt sei. Viele leere Häuser, viele leere Fabriken, da ein Autoschrauber, dort ein Trödel-Händler. Inzwischen ist praktisch alles aufgeräumt und saniert. Die Stadt hat sich gut entwickelt, aber die Gentrifizierung – wir wissen es alle – bringt Probleme mit sich.
Leipzig ist Ihre Heimat geworden?
Ja, absolut. Da ein Schwätzchen, dort ein Plausch. Ich kenne mich aus, kenne meine Kontakte. Leipzig mutet wie eine Großstadt an, hat deren Annehmlichkeiten, ist aber eher noch gemütlich, nicht so dicht besiedelt wie beispielsweise Berlin. Man findet immer sein ruhiges Plätzchen im Park, in der Natur. Und dann ist meine Tochter hier geboren, wird hier groß, eine echte Leipzigerin!
Wie sieht so eine Durchschnittswoche bei Ihnen aus? Sie sind nicht nur Maler.
Da das Kind immer selbstständiger wird, arbeite ich inzwischen gelegentlich einige Stunden im Monat als Museumswart im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Und seit nunmehr fast 20 Jahren betreibt mein zweites Ich zusammen mit Sabine Elsner die „Galerie ARTAe“. Natürlich bin ich froh darüber, dass ich über die Jahre meine Malerei recht gut verkaufen konnte und kann - doch es gibt mal die und mal die Phasen.
Text: Mathias Schulze