Johanna Amelie, 12. Mai, Neues Schauspiel 5, 20 Uhr, Tickets: www.neues-schauspiel-leipzig.de
„Fiction Forever“ heißt das neue Album der Wahl-Berlinerin und Singer-Songwriterin Johanna Amelie. Ob poetisch, dokumentarisch oder melan- cholisch – Johanna Amelie findet einnehmende Bilder. Auch live sorgt die Mischung aus Indie-Folk, Dream-Pop und Weltmusik für atmosphärisch starke Konzerte. Am 12. Mai kann man sich davon im Neuen Schauspiel überzeugen. Wir haben Amelie zum Gespräch gebeten
Hallo, Johanna Amelie, zuerst dürfen Sie Kategorien entwerfen. Wie würden Sie Ihre Musik bezeichnen?
Ich würde sagen, ich mache Singer/Songwriter-Musik mit einer Prise Folk, einer Prise Dream-Pop und einer Portion Indie.
In der Pressemitteilung zu Ihrem traumschönen Album „Fiction Forever“ wird die Sängerin und Pianistin Regina Spektor hervorgehoben. Erzählen Sie mal: Wer hat da wie jemanden erweckt?
Als Teenagerin war Regina Spektor ein Role Model für mich. Ich bewunderte ihre Musik, ihre selbstbewusstes Auftreten und die Tiefe ihres Songwritings. Mit ihren Songs und ihrer Kunst ermöglichte sich Regina Spektor eine Karriere – und das hat mich dazu inspiriert, Musik als Beruf zu wählen.
Sie sind Gründerin von „Visibility*Breakfasts“ und Mitglied von „Music Women*Germany“. Warum? Was ist das?
Ich engagiere mich bei „Music Women*Germany“, denn ich möchte mich aktiv für Gender Equality (Gleichstellung der Geschlechter; Anm. d. Red.) in meiner Branche einsetzen. Es wird als „normal“ akzeptiert, dass Frauen und nicht-binäre Personen schlechter bezahlt werden, dass sie seltener zu hören und zu sehen sind als Männer – auf und hinter den Bühnen oder auch im Radio. Mir ist es wichtig, dass wir alle gemeinsam etwas an dieser Situation ändern. Der Verein „Music Women*Germany“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, gezielt Frauen, sich als weiblich identifizieren und nicht-binäre Personen in der deutschlandweiten Musikbranche zu fördern, zu vernetzen und sichtbar zu machen. Außerdem solidarisiert sich der Verein mit ander- en, mehrfach marginalisierten und deutlich unterrepräsentierten, Gruppen in der Musikbranche, insbesondere BIWOC-People.
„BIWOC“ steht für?
Black, Indigenous, People of Color, hier also: Women of Color.
Und was ist „Visibility*Breakfasts“?
Als ich neu in Berlin war, habe ich mir eine Community mit anderen Frauen, die Musik machen, gewünscht. Ich habe zunächst keine gefunden, deshalb gründete ich mit Julia Zoephel, Kendy Gable und Phela einen losen „Frühstückstreff“, der ab dann einmal im Monat stattfand. Wir nutzen das Treffen, um uns zu vernetzen und auszutauschen. Mit der Zeit wurde daraus das „Visibility Breakfast“ - mit über 600 Mitgliedern in der Facebook-Gruppe.
Auf Ihrer „Fiction Forever“-Tour werden auch Gäste dabei sein. Wer? Und wie bestimmt sich die Auswahl derselben?
In Leipzig und Halle habe ich Cégiu aus Luzern mit dabei. Außerdem kommen mit auf Tour: Mariama, Ay Wing, Lihme und Marlena Käthe. All diese Musikerinnen sind talentierte Freundinnen von mir, die wunderschöne Musik machen, deshalb möchte ich gerne die Bühne und die Reise mit ihnen teilen.
Sie sind mit Ihrer Musik in vielen Ländern gewesen, auch Ghana oder Neuseeland waren mit dabei. Was waren das für Reisen? Wie haben sie Ihren Blick auf Deutschland geschärft?
In der Hauptstadt Ghanas, in Accra, durfte ich im Rahmen des Buzz meets Bizz-Programm des Goethe-Instituts an Fortbildungen rund um die Musikbranche teilnehmen und Konzerte mit den Musical Lunatics, einer ghanaischen Band, spielen. In Accra war Musik allgegenwärtig – in der Öffentlichkeit, in Bussen, Taxis, Cafés und Läden wird überall gutgelaunte Musik aus überdimensionalen Boxen abgespielt, was mir sehr gut gefallen hat. Das Spiel-Niveau der ghanaischen MusikerInnen war virtuos und ich habe richtig tolle Live-Musik zu hören bekommen.
Und in Neuseeland?
In Neuseeland war ich auf dem Performance-Arcade-Festival eingeladen, spielte zwei Konzerte und drehte ein Musikvideo. In Neuseeland gefiel mir, dass die Musikszene viel diverser zu sein schien, als in Deutschland. Die Gesellschaft dort kam mir progressiver vor, was Fragen wie gesellschaftliche Gerechtigkeit und Umweltschutz betrifft.
Sie sind in München geboren, haben Ihre Jugend in Süddeutschland und Hessen verbracht, sind heute Wahl-Berlinerin und touren durch Deutschland: Spielt die ehemalige deutsch-deutsche Teilung in Ihrem Leben eine Rolle?
Da ich in Berlin wohne, ist die deutsche Geschichte beispielsweise durch die Überreste der Mauer allgegenwärtig präsent. Ein Unterschied zwischen den Ost- und Westbezirken ist im Berliner Stadtbild auch auf jeden Fall spürbar. In Gesprächen mit FreundInnen, die in Ostdeutschland aufgewachsen sind, begegnet mir das Thema auch hin und wieder, wenn wir uns zu unseren Biografien austauschen. Dann reden wir konkret auch über die Unterschiede unserer Sozialisierung und welche Privilegien damit einhergehen.
Text: Mathias Schulze