EvilMrSod, 12. Oktober im Black Label Leipzig und 28. November im Zum Wilden Heinz Leipzig, alle Infos: www.facebook.com/evilmrsod
Seit Jahren tingelt Pablo Ramón Rodriguez Rivero unter dem Künstlernamen „EvilMrSod“ auch durch Leipziger Kneipen, Bars, Clubs oder Freiluft-Festivals. Ein Mann, der auffällt. Ein Mann, dessen wilde Rock'n'Roll-Auftritte man nicht mehr vergisst. Eine One-Man-Show voller Wucht und Energie. Doch wer ist „EvilMrSod“ überhaupt? Ein Porträt von Mathias Schulze
Die erste Begegnung war ein Zufall. Und ziemlich heftig! Leipzig, Juli 2024: Gerade hatten Singer/Songwriter beim sommerlichen Seeklang-Festival in Lindenau ihre Künste vorgeführt, gerade fiel eine angenehm beschauliche Atmosphäre über die malerische Seebühne der „Kaos“-Kulturwerkstatt. Im Grunde war der Tag gelaufen, es dunkelte schon, mit ausgeglichenem Gemüt sollte es gleich bettschwer nach Hause gehen, Überraschungen würde es heute nicht mehr geben. Und dann kam Pablo Ramón Rodriguez Rivero! Gezackte Blitze am Gitarrengurt, kurze Haare, grauer Bart, Lederbändchen am Handgelenk, tätowierte Arme. Okay, also noch ein Künstler. Noch einmal hinsetzen. Und dann kam „EvilMrSod“! Es dauerte wenige Sekunden – und alles war auf den Kopf gestellt. Schon der erste flirrende Eindruck krallte sich mit Wucht ins Gemüt. Wie aus heiterem Himmel, wie irgendwie ganz spontan aus den Wolken gefallen, schmetterte plötzlich Rock'n'Roll durch die Luft. Und was für eine wilde Mischung! Folk-Rock, Country, Blues, Metal und Punk. „Alles wunderbar einfach, schnell, zischend und sprudelnd.“ Der Kerl hockte einfach nur allein auf seinem Stuhl, die schweren Schuhe wippten, er schnaufte und dröhnte. Pures Leben! Es war, als würde er mit bloßen Zähnen ein gerade frisch erlegtes Tier auffressen – natürlich roh. Plötzlich spielte einer so kernig und intensiv, plötzlich musizierte einer mit Messer an der Kehle. Alles schwappte so erdig und wuchtig ins Publikum, „EvilMrSod“ schrie bedingungslos in die laue Sommernacht. Begriffe wie „Motherfucker“, „Shit“, „Drugs“ und „Sex“ oder Zeilen wie „I sold my soul to rock“, „Why don’t you suck my dig?“, „Give me more / Of your dirty lies“ oder „If you want it, do it know / Stop making sense“ knallten mit reibender und peitschender Hochdruckstimme durch die Luft. Dunkle Geschichte, nackte Wahrheiten. Alles wunderbar einfach, schnell, zischend und sprudelnd – und so weit von gespreizter Intellektualität entfernt wie möglich. Das Bettschwere wurde auf Übermorgen verschoben, „EvilMrSod“ dynamisierte, riss vom Hocker, schoss zähnezeigend wie eine kompakte Stange Dynamit in den Bauch. Was, um Himmels willen, war denn da los? Eine zufällige Entdeckung, wie man sie vielleicht alle Jubeljahre mal macht! Wer ist dieser Mann? Kontaktdaten mitgenommen. Schien er eben noch auf der Bühne vom Teufel besessen zu sein, stand nach dem Gig ein umgänglicher, freundlicher Mann da. Faszinierend. Pablo Ramón Rodriguez Rivero ist eigentlich Sänger, Gitarrist und Hauptkomponist von Fuckin’ Family Faces, einer Rock’n’RollBand aus Teneriffa. Und genau von dort stammt er auch. Gerade ist Rivero 50 Jahre alt geworden, er hat zwei Kinder und wohnt heute, nach Stationen in Braunschweig, Berlin und Leipzig, in Krostitz in Sachsen. Bitte? Zeit, um nachzufragen! Zeit, für schnörkellose Antworten. „Ich habe zwei Semester in Braunschweig studiert, war ein paarmal in Berlin und habe dann beschlossen, dass ich bleiben möchte. So einfach ist das“, erzählt Rivero. Moment! Teneriffa! Kanarische Inseln! Wieso bleibt man dann freiwillig in Mitteldeutschland? Für Rivero ist das alles sehr einleuchtend: „Ja, Teneriffa ist ein wunderschöner Ort, aber sehr weit weg von allem. Deutschland liegt mitten in Europa und man kommt von hier aus viel leichter überall hin. Und es ist nicht so heiß.“ Leipzig ist in seinen Augen wie Berlin, nur „in kleinerem Maßstab“. Und wieso covert er den mitreißenden Northern-Lite-Hit „Girl with a gun“? Der Überraschungen gibt es noch nicht genug, denn nicht er covert, sondern Northern Lite hat „EvilMrSod“ gecovert! Bitte was? Rivero erklärend: „Ja, das haben sie gemacht, aber sie haben alles richtig gemacht. Sie haben sich um alle rechtlichen Aspekte gekümmert, also war es, um ehrlich zu sein, keine wirklich verpasste Gelegenheit.“ Aber das Ding stürmte die Charts?! Rivero bleibt gelassen: „Der einzige dunkle Fleck an der ganzen Sache ist, dass sie nur in ein paar Interviews erwähnt haben, dass das Lied ein Cover ist. Und ich glaube, sie haben meinen Namen nie erwähnt.“ Rivero erzählt das alles ohne Bitterkeit, sondern eher mit seiner typischen Bescheidenheit, die so wunderbar gar nicht zu seinen Bühnenauftritten passt: „Rechtlich gesehen waren sie dazu nicht verpflichtet. Aber ich habe immer gedacht, wenn man einem Kollegen helfen kann, warum sollte man es dann nicht tun? Das war in Ordnung, aber das bedeutet, dass ich bei meinen Konzerten erklären muss, dass ich kein Northern Lite-Cover mache, sondern den Song selbst geschrieben hatte.“ Was für eine Geschichte! Was für ein Künstler! Jetzt packen wir alle unsere Erstaunen ein und gehen zu „EvilMrSod“, erkunden mit ihm die kleinen, aber feinen Clubs! Wieder einmal ist der Beweis eindrucksvoll gelungen: Weltklasse spielt nicht immer in den Mehrzweckhallen der Republik.
Text: Mathias Schulze