Dimensions - Digitale Kunst seit 1859, bis 9. Juli, Pittlerwerke, Infos: www.pittlerwerke.org
Die Ausstellung „Dimensions – Digitale Kunst“ in den Pittlerwerken wird heftig kritisiert. Warum?
Wie ist es möglich, dass man sich von einem Romy Schneider-Hologramm angezwinkert und angesprochen fühlen kann? Warum kann es einem unter einer VR-Brille, die in eine gigantische Bibliothek entführt, schwindelig werden? Und was ist das für eine seltsame klinische Entspannungsatmosphäre, die man in einem digitalen Zen-Garten erleben kann? Fragen über Fragen.
Und sie werden nicht weniger, denn die Ausstellung „Dimensions – Digitale Kunst seit 1859“ in Pittlerwerken, die auf 10.000 Quadratmetern ungefähr 60 digitale Werke von Künstlern aus aller Welt zeigt, ist heftig umstritten.
Die Fakten: „Palantir“ ist ein US-amerikanisches Datenanalyse-Unternehmen, dessen Gründer Peter Thiel ein einflussreicher Donald Trump-Unterstützer ist. Die bisherige Verwendung der Palantir-Software HessenData in Deutschland, seit 2017 von der hessischen Polizei eingesetzt, wurde dieses Jahr vom Verfassungsgericht einkassiert.
So weit, so fragwürdig. Aber was hat das mit der besagten Ausstellung zu tun? Neben der Telekom ist Palantir Hauptsponsor der Schau. Und dann gibt es noch den Veranstalter, den Verein Stiftung für Kunst und Kultur Bonn, dessen Vorsitzender Walter Smerling als „hochumstrittener Kunst-Impresario“ (SZ) bekannt geworden ist. Genau hier regt sich Widerstand. Es gibt einen offenen Brief aus dem deutschlandweiten Kunst- und Kulturbereich, der im Netz unter artwashing-leipzig.de nachzulesen ist. Im Brief, der um die 1.000 Unterzeichner gefunden hat, heißt es: „Wer Schmutz am Stecken oder zumindest ein problematisches Image hat, so wie Palantir, dem bleiben verschiedene Mittel, die öffentliche Aufmerksamkeit zu lenken: Das Sponsoring einer Kunstausstellung ist eines davon.“
Besucht man die Schau, findet man tatsächlich ein Ausblenden der politischen und gesellschaftlichen Dimension des Digitalen. Im offenen Brief heißt es treffend: „Fragen nach demokratischer Kontrolle von Überwachungstechnologien und nach der Aneignung von Daten durch Konzerne wie Palantir werden ausmanövriert.“
Ein Zufall? Sicher nicht. Sehenswert ist das Ganze dennoch, denn mitunter steht man sowohl fasziniert als auch emotional regungslos vor einem Spektakel, dessen Sinnhaftigkeit schwer zu greifen ist - genau wieie Komplexität der digitalen Welt der Gegenwart. Dies erfahrbar gemacht zu haben, ist ein Verdienst der Ausstellung. Wohl unfreiwillig, aber imposant.
Text: Mathias Schulze