Der kleine Prinz, 20. November um 20 Uhr, 21. November um 18 Uhr, jeweils im Puschkinhaus in Halle, Kardinal-Albrecht-Straße 6, Tickets: buehnen-halle.de
Das Puppentheater Halle zeigt „Der kleine Prinz“. Entstanden ist eine sehenswerte Inszenierung, die kollektive Seh- und Empfindungsgewohnheiten ordentlich gegen den Strich bürstet
Entstanden als Reaktion auf das mörderische 20. Jahrhundert rang Antoine de Saint-Exupéry in der Erzählung „Der kleine Prinz“ (1943) um universal gültige Werte, Illustrationen inklusive. Der Prinz erzählt von seiner geliebten Rose, von der Vielzahl menschlicher Egoismen. Die Tiere sind es, die ihn Weisheit lehren.
Die Reichweite des Kunstmärchen geht heute bis tief ins Merchandising. Wie nähert man sich diesem Stoff? Der halleschen Puppentheater- Inszenierung ist diese Frage anzumerken, denn Regisseur Moritz Sostmann und die wunderbaren Puppenspieler Lars Frank und Ines Heinrich-Frank bürsten kollektive Seh- und Empfindungsgewohnheiten ordentlich gegen den Strich.
Das beginnt beim Bühnenbild: Im Hintergrund herrscht ein unaufgeräumter Atelier-Charme, auf einer geneigten Ebene treffen sich die Spieler und Puppen. Lustvoll und mit kindlicher Freude wird die weiße Fläche im Laufe des Stückes bekleckst und bepinselt, besudelt und kreativ eingesaut.
Die Puppe bricht das ikonografische Bild: Man sieht den Prinzen als Jugendlichen in kurzen Hosen, die Augen blutunterlaufen, das Haar zottelig, das Antlitz von übernächtigter Blässe. Der Prinz als depressiver Zombie, als Junkie, als Sinnsucher, der rastlos durch den Weltraum eilt und nichts außer Enttäuschungen findet.
So sehen junge Menschen eben aus, wenn sie den Weltklimarat ernst nehmen. Sphärische Klänge, Naturgeräusche und Clubmusik. Der Übersetzer des Textes, der Fernsehphilosoph Peter Sloterdijk, wird als Puppe, als eitler Gelehrter, eingebunden.
Toll ist die Idee, die berühmten Zitate in einer Tanzszene aus dem Halbdunkel ins Publikum zu brüllen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut! Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar!“
Aber nicht alle Regie-Einfälle überzeugen: Welche Essenz wird der Weltliteratur abgerungen, wenn der Prinz beim Anblick seiner Rose masturbiert? Auch sein Urinieren im Strahl ist nicht mehr als ein Pennälerwitz. Dennoch: Eine sehenswerte, humorvolle Inszenierung.
Text: Max Feller