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Das letzte Wort im August hat die Leipzigerin Mayjia Gille. Die Sängerin, Malerin, Schauspielerin und Autorin wird am 28. August den Roman „Landgang“ veröffentlichen und arbeitet gerade mit ihrer Band „Eisvogel“ an einem neuen Album
Wenn Sie in diesen Tagen an Leipzig denken, welches Kompliment würden Sie der Stadt und/oder seinen Bewohnern machen?
Dass die Leipziger Bürger sich von zugezogenen Menschen, bestehenden Umleitungen, ewigen Staus, Lautstärkepegeln bis Ultimo, überflüssigen Groß-Geschäften und mafiagleichen Strukturen, dennoch Café-Atmosphäre, Kunstförderung und buntes Straßenfeeling durch Eigeninitiative und Optimismus erhalten.
Und welchen Tadel würden Sie der Stadt aussprechen?
Die Frage ist immer, wer hier mit wem die Geschäfte macht. Ich habe kurzzeitig bei einem Leipziger Immobilienbüro gejobbt und weiß aus erster Hand, dass viele Straßenzüge oder herrliche alte Häuser, längst nicht mehr in der Hand von Leipzigern sind. Das klingt so „normal“, aber wenn viele wüssten, was „unter der Hand“ wirklich abläuft, würde ihnen das Grausen kommen.Ob Kulturanträge, Bebauung, Immobilien, Presse – so ist es mit vielen Dingen. Wer verwaltet hier die Stadt, wer entscheidet?
Der Hintergrund bei den wirklich entscheidenden Dingen in Leipzig ist für den Bürger oft nicht sichtbar, so dass ich gar nicht weiß, wem ich den Tadel aussprechen sollte. Dem kleinen Leipziger an sich, sicher nicht. Außer, dass viele jeden Hype mitmachen, weil sie Angst haben, gesellschaftlich nicht mehr dazu zu gehören.
Welche Dinge sind für Sie in Leipzig nach den Lockdowns spürbar anders geworden?
Ich glaube, dass die Qualität vieler Restaurants und Veranstaltungen, stark nachgelassen hat. Und es sind noch tiefe Wunden zwischen den Leipzigern da. Menschen, die vorher eng zusammen arbeiteten, gingen wegen Impfstreitigkeiten oder dem unbedingten Willen, allem Verordneten zu gehorchen oder zu widerstehen, auseinander.
Und welchen Kulturtipps in oder aus Leipzig würden Sie unbedingt empfehlen?
Auf der Wiese nachts zu tanzen! Electro-Open-Airs im Park. Kostenlos und illegal. Oder sich die letzten Abrisshäuser anzusehen oder so viele „Snow“-Tags wie möglich zu entdecken – quer durch Leipzig. Wer bildende Kunst mag, dem empfehle ich nicht nur die üblichen guten Galerien, sondern auch das Hotel Leipziger Hof und die Galerie Artae. Für die Session-Liebhaber gibt es jeden Donnerstag im Horns Erben schöne Jazz- Sessions. Zu empfehlen auch: Revuetheater Kallenbach – ein kleines, feines Terrain für Szenische Lesungen. Und: Klassik in Leipzig – solange es nicht mit Kulinarischem als „Verkaufsschlager“ verbunden wird, denn an Klassik hat die Stadt nun wirklich einiges zu bieten.
So, und jetzt wirklich: Ihr letztes Wort?
Ein Gedicht aus meinem dritten Gedichtband „Trompeter auf der Landebahn“ (2022), es heißt „WIR“: „als du deine sachen bei mir zusammensuchtest / sagtest du / ach irgendwann vergesse ich mich noch selbst / wenn wir uns beide / beieinander vergessen würden / wäre das die lösung“.
Text: Max Feller