10 Jahre Apfeltraum, 7. November, Anker, 21 Uhr
Robert Gläser, der Sohn des Rockmusikers Peter „Cäsar“ Gläser, hat nicht nur als Solokünstler das neue Album „Jetzt erst recht“ vorliegen, sondern kommt auch mit dem Projekt „Apfeltraum“ am 7. November in den Leipziger Anker. Gefeiert wird das zehnjährige Jubiläum jener Hommage, die an die Lieder seines Vaters erinnert
„Ach, bei uns war immer Party, es gab unentwegt Musik, die Türen waren offen. Wer wollte, konnte kommen. Wir hatten viel Besuch, alle wollten mit meinem Vater quatschen.“ Spricht man mit Robert Gläser, Jahrgang 1971 und aufgewachsen in Leipzig, über seine Kindheit und Jugend, entfaltet sich ein naiver Blick auf zeitgeschichtliche Ereignisse. Willkommen im inneren Zirkel der DDRRockgeschichte!
Der Vater war kein Geringerer als Peter „Cäsar“ Gläser, Mitglied der „Klaus Renft Combo“, später Sänger und Gitarrist bei „Karussell“. Die Mutter Elisabeth Gläser war Buchhändlerin, später hat sie nicht mehr in diesem Beruf gearbeitet, „sie war ja mit einem Rockstar verheiratet“, wie Gläser nachschiebt.
Und er selbst? Stand er im großen Schatten? „Ich hatte nie ein Problem mit der Bekanntheit meines Vaters. Ganz im Gegenteil, es war ein Privileg. Die Mitschüler fanden mich cool, ich habe die Nachfragen genossen. Das ist bis heute so“, erzählt Gläser, der neben seinen Solo-Auftritten weiterhin mit dem Projekt „Apfeltraum“, eine Hommage an die Lieder seines Vaters, auftritt.
Welche Erinnerungen hat er an den Arbeiter- und Bauernstaat, der seine Menschen bespitzelte? Die Sichtweise eines Kindes, eines Pubertierenden: „Ich wusste, dass ich auf den Partys, die ja von der Stasi durchsetzt waren, nichts sagen durfte, wenn mir jemand komische Fragen stellt. Ansonsten habe ich mir darüber damals keine Gedanken gemacht.“ 1985 hatten Gläsers Eltern einen Ausreiseantrag gestellt, im März ´89 wurde er bewilligt.
„Als ich als Bassist ab 1988 zusammen mit meinem Vater in der Band „Cäsar & die Spieler“ agierte, fing er an, seine kritischen Texte rauszuholen. Das fanden die Kulturfunktionäre nicht lustig. Und dann kam ‘89 die Ansage, dass wir innerhalb von 24 Stunden das Land verlassen sollten“, berichtet Gläser, der sich noch an seine erste Reaktion erinnern kann: „Ich fand es geil! Habe mich sofort auf Adidas-Turnschuhe gefreut!“ Die Koffer waren in wenigen Stunden gepackt, die Familie samt Gläsers jüngster Bruder Moritz Gläser wurde in West-Berlin von Klaus Renft in Empfang genommen.
Als die „duften Klamotten“ am Leibe saßen, kam die Ernüchterung: Gläser durfte nicht in den Osten, als Musiker bekam er kein Bein auf den Boden, mit der Freundin aus Leipzig musste er sich in der Tschechoslowakei treffen, sein Vater machte einen TaxiSchein. Salopp fasst Gläser, der eine Ausbildung zum Erzieher anfing, Hilfsarbeiten beim ArbeiterSamariter-Bund absolvierte, seine damaligen Wahrnehmung zusammen: „Ich dachte damals: Ach, du Scheiße, der große Cäsar muss Taxi fahren!“
Der Fall der Mauer rettete Gläsers musikalische Karriere: „Ich habe 1990 die Ausbildung hingeschmissen, bin nach Ost-Berlin gegangen, fand dort in der Musikszene gleich wieder Anschluss.“ Mit dem Vater, Dirk Zöllner, André Herzberg, Johannes Biebl und City ging es ab 1991 wieder auf Tour. „Das Problem der großen OstBands, wonach die Leute in den 90er Jahren erst einmal den Westen beschnuppern wollten, hatte ich nicht. Ich war die kleinen Clubs und Kneipen gewohnt, dieses Leben in der Szene ging einfach weiter“, erzählt Gläser.
Was nicht weiterging, waren so manche Geheimnisse, das Schweigen. Mitte der 90er Jahre - Gläser wohnte schon nicht mehr bei den Eltern – tröpfelt die Wahrheit zu ihm durch: Der „große Cäsar“ war 22 Jahre lang IM der Staatssicherheit. Gläser ehrlich: „So richtig intensiv und ernsthaft habe ich mit meinem Vater nie darüber gesprochen. Ich habe das ausgeblendet. Was ich mitbekam, war, dass er 1968 bei der Armee naiv unterschrieben hatte, er wollte ein Musikstudium machen. Und hat der Stasi dann irgendwelchen Blödsinn über die Leute erzählt. Meines Wissens nach hat er keinen ans Messer geliefert.“
Im Zuge von Peter Gläsers Autobiographie „Wer die Rose ehrt“ (2007), in der er auch über seine IM-Tätigkeit sprach, holte die Zeitung mit den vier großen Buchstaben die Keule raus. „Meine Mutter sagt noch heute, dass es sein kann, dass dieser enorme Druck seine Krebs-Erkrankung befeuert hat“, sagt Gläser, dessen Vater 2008 verstarb.
Von 1998 bis 2017 entwickelte sich Gläser zum kreativen Kopf der Deutschrock-Band „SIX“. Nach deren Auflösung war klar, dass „ich mein eigenes Ding mache, als Bassist war ich irgendwann auch Sänger“. Inklusive der neuen CD „Jetzt erst recht“ folgten drei Solo-Alben. Gläser spielt heute rockigen Aufmunterungs- und Euphorie-Pop, Folk und Klavierballaden inklusive. Die Atmosphäre ist ehrlich, die Botschaft klar: Steh auf, wenn es dir dreckig geht! Der kräftige Glatzkopf als Seelentröster. Selbstredend wird er auch dieser Rolle anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Projektes „Apfeltraum“ im Leipziger Anker gerecht. Hingehen!
Text: Mathias Schulze
