„Das Schloss“, alle Termine: www.schauspiel-leipzig.de
Ein surreales Sabbern, ein groteskes Kichern, ein schallendes Lachen. Und das alles im mystischen Schneetreiben. Das Schauspiel Leipzig zeigt Kafkas „Das Schloss“
„Waren Sie schon mal im Schloss?“ Eine ganz normale Frage, oder? Wird sie im Stück „Das Schloss“ in der Regie von Philipp Preuss gestellt, ist man schon mittendrin in einem eiskalten mystischen Schneetreiben, in einer bedrohlich-atmosphärischen Inszenierung, die live gespielte Klaviermusik mit animalischen Tönen zusammenbringt und Identitäten verschwimmen lässt. Ein surreales Sabbern, ein groteskes Kichern, ein schallendes Lachen und ein undurchdringliches Schweigen.
Ja, waren Sie schon mal im Schloss? Eine geflüsterte Frage, mit rasender Urgewalt fällt sie als drängende Gewissensentscheidung in die Seele. Doch was oder wer ist das Schloss? Nur eins steht fest: Es ist für den Landvermesser K., der Unterschlupf sucht, und auch für uns alle, unerreichbar.
Franz Kafkas unvollendeter Roman „Das Schloss“ entstand 1922. In der Inszenierung des Schauspiels Leipzig werden viele Deutungen eingeflochten. Da die Bürokratiemonster, die Phrasen und die Macht der Herrschenden, dort die Sinnsuche des Einzelnen. Hier die Undurchdringlichkeit des eigenen Herzens und die fehlende Gnade Gottes. Wer ist verantwortlich für die aus den Fugen geratene Welt?
Klaviere rahmen die Bühne, mal ist sie eine Schneelandschaft, mal fallen goldene Tapeten. Die Schauspielenden Alina-Katharin Heipe, Roman Kanonik und Andreas Keller schlüpfen immer wieder in verschiedene Rollen, ebenso wie Markus Lerch, Annett Sawallisch, Bettina Schmidt und Elzemarieke de Vos spielen sie gekonnt Figuren und Erzähler zugleich.
Mit Live-Kamera und Lichteffekten, mit Witz und vibrierenden Bässen gelingen viele Szenen, die Machtstrukturen und Einsamkeiten poetisch präzisieren. Wunderbar ist beispielsweise eine Sequenz, in der ein echter Hund von Klaviermusik begleitet Fleisch und Knochen im Rampenlicht fressen darf. Ein robustes Knacken und Schmatzen – so können übermächtige Instanzen das Individuum zerreiben und zerbrechen.
Behutsam nähert man sich der Weltliteratur, auch die Erzählung „Der Bau“ und weitere Kafka-Texte sind Teil der Inszenierung. Insgesamt finden sich in den zweieinhalb Stunden auch Längen, aber die betörende Schönheit vieler Einzelszenen weiß das auszugleichen.