Geheimnisse, 2., 3. und 4. April, naTo, jeweils 20 Uhr; Adolf Südknecht, 19. April, Horns Erben, 20 Uhr; alle Termine von Armin Zarbock: www.toi-toi-toi.de
Er gehört zur Leipziger Theaterszene wie der Deckel auf den Topf: Der Tausendsassa Armin Zarbock feiert mit den „Südknechts“ zehnjährigen Geburtstag. Grund genug, bei Zarbock nachzufragen. Ein Gespräch über Lockdown-Erfahrungen, Leipzig und seine Pläne
Der Lockdown ist vorbei, „Adolf Südknecht“ steht vor dem 10. Geburtstag, in der naTo wird im April „Geheimnisse“ gespielt, und in der Ukraine tobt der Krieg. Gerade ist Anfang März. Wie würden Sie aktuell Ihre Gemütslage beschreiben?
Ich fühle mich zerrissen. Ein aus dem Nichts angezettelter Krieg mit den Gräueltaten eines unberechenbaren Führers, quasi vor der Haustür, und die daraus bei mir entstehenden Ängste. Auf der anderen Seite ein wunderbarer Frühlingsbeginn und hoffnungsvolle Corona-Lockerungen. Das Leben kann herrlich und schrecklich zugleich sein.
Wie haben Sie die Zeit des Lockdowns erlebt? Was haben Sie in dieser Zeit gelernt?
Es war schwer erträglich, im einzigen Bundesland gesessen zu haben, in dem keine Kultur stattfinden durfte. In dieser Zeit wurde also geplant und dann verworfen und dann wieder umgeplant. Belastend für eine Tätigkeit, die mehr von ihrer Praxis denn von Theorie lebt. Mit der privaten Erkenntnis, dass der Beruf nicht alles ist und dass ich mein Lebensglück nicht in den Weiten des Universums, sondern im engsten Mikrokosmos finde. Diese Zeit war unterm Strich sinnstiftend und schöpferisch und brachte mir einen Gewinn an Lebensqualität.
Corona und die Folgen für die Leipziger Kulturszene: Spüren Sie da schon Tendenzen?
Ich kenne einige künstlerisch Tätige, die sich unwiederbringlich aus der Kultur zurückgezogen haben, was bitter und ein großer Verlust ist. Corona hat eine große Bewusstwerdung auf die eigene Arbeit bewirkt und auf die Frage, welche Bedeutung Kunst in unserer Gesellschaft hat. Ich hoffe, dass sich daraus entsprechend künstlerisch-provokant Umsetzungen ergeben. Wir müssen uns einmischen und Menschen anund aufregen! Oder auch trösten. Kunst kann dies bewirken, es ist ihre Aufgabe.
Man übertreibt nicht, wenn man sagt, dass „Adolf Südknecht – die Seifenoper-Improschau“ ein kultiger Bestandteil des Leipziger Kulturlebens ist. Und das schon seit zehn Jahren! In welchem historischem Jahr sind Sie mittlerweile angekommen?
Wir bespielen zurzeit die freiheitlichste Zeit der DDR: Den Anfang der 1960er Jahre. Ein kurzer Frühling in Kultur, Wissenschaft und Denken, der sein jähes Ende in der „Leipziger Beatdemo“ finden wird. Zeitlich wird in den nächsten Staffeln die Sprengung der Paulinerkirche und darauf der Prager Frühling folgen, der mit der jetzigen Kriegssituation eine erschreckende Aktualität erhält. Für uns eine Bestätigung, dass sich Zukunft und Gegenwart niemals von der Vergangenheit lösen lassen und welche Relevanz Historie in Bezug auf unser Leben besitzt. In diesem Sinne bestimmen wir, trotz durchgehend rein improvisierter Texte, den dramaturgischen Handlungsbogen inzwischen genauer voraus. Dadurch lassen sich auch genauere Anfragen an Mitspielende stellen.
Woher kommen die?
Wir akquirieren sie aus dem ganzen Bundesgebiet. Inhaltlich-konzeptionell geplant wird in der Dreierbande Claudius Bruns, August Geyler und Armin Zarbock, gespielt aber wird immer im großen Kollektiv. Nur daraus ergibt sich die Inspiration und Energie: Wir bereiten das Bett – auf ihm springen sollen alle, Zuschauende inklusive.
Warum sollte man ins Stück „Geheimnisse“ kommen?
Der Abend führt uns vor Augen, in welche Abhängigkeiten und Lebenslügen wir uns mit den modernen Medien begeben. Und dies mit großem Unterhaltungswert – bei dem das Lachen so manches Mal im Hals stecken bleibt. Wieder mal ein amüsantes Beispiel, dass wir alle auch im Leben oft Theater spielen.
Sie sind gebürtiger Berliner, kennen Leipzig schon seit ein paar Tagen. Hat sich Ihre Wahrnehmung der Stadt verändert?
2003 machte ich mein erstes Stück in Leipzig. Ich hatte mich sofort in die Stadt verliebt und sie zu meiner Wahlheimat erkoren. Die Stadt ist voller geworden seitdem, die gestiegenen Preise für Wohnraum nerven, und die Veränderungen in eine autoärmere Stadt, die den Klimaveränderungen Rechnung trägt, gehen mir zu langsam voran. Mir blutet beim Anblick der hohen Anzahl zunehmend sterbender Bäume im Auwald das Herz. „Weniger Konsum wagen“ wäre mein Schlachtruf, und einige Entwicklungen zeigen glücklicherweise immer mehr in eine menschenfreundlichere Stadt-Richtung. Vor allem die Mischung der hier lebenden Menschen stimmt mich mutig und natürlich das größte Wucher-Pfund: Kultur, Kultur, Kultur!
Verraten Sie uns ihre Pläne!
Mein Rubel rollt, ob der nötigen Vorläufe, erst in der zweiten Jahreshälfte wieder – dann aber richtig! Mit dem „Theater Adolf Südknecht – die Seifenoper-Improschau“, die Feier unserer hundertsten Theater-Episode und ein Straßenbahn-Theaterprojekt zum 150. Bestehen derselben. Im Sommer kommt das Feinkost- Sommertheater-Festival, das ich zusammen mit Larsen Sechert organisiere, und dazu das Moritzbastei- Sommertheater. Danach eine Produktion in der „MuKo“ und eine weitere im Krystallpalast-Varieté. Darüber hinaus gibt es Auftritte mit der „TheaterTurbine“. Und neu: das Einsprechen von Hörbüchern – eine positive Folge- Entwicklung von Corona. Es ist hygienisch save, macht mir großen Spaß, und ein halbes Dutzend davon lassen sich bereits käuflich erwerben. Dennoch, wenn ich zum Wählen auffordern sollte, würde ich rufen: „Kommt heraus, Leipzig lohnt sich!“
Text: Mathias Schulze