Theatris, mehr unter theatris-lsa.de/de
Der Verein „Landeszentrum Freies Theater Sachsen-Anhalt“, kurz „LanZe“, hat eine digitale Plattform namens „Theatris“ für alle freien Theaterschaffenden in Sachsen-Anhalt geschaffen. Grund genug, bei der Geschäftsführerin Maria Gebhardt nachzufragen.
Wozu braucht es „Theatris“? Hat die freie Szene nicht auch selbst eine Homepage?
Natürlich haben etabliertere Ensembles der freien Szene ihre eigenen Homepages. Aber erstens ist mit diesen die Vielfalt der ganzen Freien Szene nicht abgebildet, zweitens bedeutet eine Homepage nicht automatisch sofort produktive Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit und drittens ist die Pflege einer Homepage nicht ihr Kerngeschäft. Wir wollen mit der Plattform und ihren Inhalten dazu beitragen, dass die Freie Szene als Ganzes erfahrbar wird, die Angebote der Einzelnen so als Teil eines größeren Zusammenschlusses eine größere Relevanz erhalten in der Wahrnehmung von Medien, Publika und Interessierten. Die Plattform ist zugleich Service für mehr Sichtbarkeit und Instrument für Vernetzung – denn auch die Szene kennt sich nicht in Gänze untereinander.
„Theatris“ ist deshalb …
… wesentlich mehr, als nur eine Homepage, die Produktionen ankündigt. Neben dem landesweiten Spielplan bieten die weiteren Elemente einen spielerischen Zugang zur Freien Szene. Auf einer Landkarte, in filterbaren Übersichten von Orten und Akteuren, in einem Magazin, in Fotos, Videos und Audiodateien ist Freies Theater durchsuchbar. Man kann sich im besten Sinne auf „Theatris“ verlieren, kann Neues entdecken oder sich von Akteur zu Akteur, von Produktion zu Sparte und von Bericht zu Interview leiten lassen. Dafür sind die Daten in der Datenbank miteinander verknüpft, das bedeutet, dass man Schlagwörter wie „Theater im öffentlichen Raum“ eingeben kann, die dann alle Kulturschaffenden, die damit markiert sind, auflistet – egal, in welchem Bereich der Plattform man sich befindet. Wir hoffen, so den Suchbewegungen möglicher Publika Futter zu geben. So kann „Theatris“ ganz praktisch ein Knotenpunkt für verschiedene Zielgruppen werden: nicht nur Publika, sondern auch Verwaltung, Tourismus, Kulturförderer oder Forschende finden auf „Theatris“ wesentliche Daten. Und ganz praktisch: Nicht alle Regionen des Bundeslandes bieten Services wie Veranstaltungsmagazine…
„Theatris“ ist somit auch eine Konkurrenz zu den herkömmlichen Medien?
Wir verstehen „Theatris“ mit dem Magazin als selbstermächtigende Ergänzung. Es ist ja eher so, dass die Freie Szene in den am meisten gelesenen Medien selten bis gar nicht vorkommt. Das hat teils mit dem Verschwinden fachjournalistischer Ressorts zu tun, aber auch damit, dass Theater ohne festes Haus und ohne umfassende Personalstruktur viel größeren Aufwand leisten müssen, um sich regelmäßig in Erinnerung zu rufen, um ihre Relevanz für die Berichterstattung zu vermitteln oder erfolgreich langfristige Kontakte zu Redaktionen aufzubauen. Journalismus aus der Community, also der Öffentlichkeit heraus, Rezensionen von Besuchenden oder andere Formate der Reflexion und des Sprechens über Theater sind unfassbar spannend und bringen ebenfalls eine Vielstimmigkeit mit sich. Solche Inhalte wollen wir auf der Plattform ebenfalls zugänglich machen. Wir liefern selbst erste Inhalte und sind gespannt, welche Impulse aus der Szene oder dem Publikum kommen.
Müssen die Kulturschaffenden etwas bezahlen, um sich auf „Theatris“ präsentieren zu dürfen?
Nein. Wir wollen und dürfen das gar nicht als Bezahlfassung anbieten.
Wie ist „Theatris“ bislang finanziert?
Wir haben durch „Neustart Kultur“ vom Bund und vom Ministerium für Digitales und Infrastruktur Gelder bekommen, um „Theatris“ als Open Source Software zu entwickeln. Daran haben wir etwas mehr als ein Jahr gearbeitet, auch mit Impulsen aus anderen Bundesländern und von unseren Akteuren hier vor Ort. Jetzt ist die Förderung zu Ende und wir arbeiten zunächst ausschließlich in unserem Team weiter, prüfen aber derzeit neue Fördermöglichkeit, auch um weitere Services entwickeln zu können. Zum Beispiel sind ein Ticketingsystem, eine Verbindung zu bundesweiten Veranstaltungsplattformen oder Kommunikationswege für eingeloggte Nutzende denkbar. Spannend ist aktuell auch die Verbindung mit Digitalisierungs- und Datenbankentwicklungen bundes- und europaweit.
Wird die Art und Weise des Präsentierens auf „Theatris“ irgendwie reglementiert?
Unsere Datenbank hat natürlich bereits definierte Abfragen, dadurch entsteht ja auch eine Vergleichbarkeit zwischen den Daten. Neben notwendigen Angaben wie Name, Mailadresse und Ort sind aber alle Eingaben individuelle Entscheidung. So entstehen sehr verschiedene Profile. Videos, Fotos, technische Hintergründe oder auch Verweise auf die eigene Homepage können hinzugefügt werden. Ein „Häufig gestellte Fragen“ soll Hinweise geben, wie sich die Datenstruktur am besten für eine sehr persönliche, nahe Präsentation nutzen lässt. Und wir sind als Team immer ansprechbar bei Fragen zu Gestaltung und Nutzung der Plattform. Wir wollen aber auch entwicklungsfreudig bleiben. Denn „Theatris“ ist ja nicht nur Spielplan, sondern auch Archiv der Freien Szene. Und in die Zukunft gedacht bedeutet dies, dass auch künstlerische Entwicklungen abbildbar sein müssen, wenn sich zum Beispiel neue Formate entwickeln. Digitales Theater zum Beispiel hätten sich vor der Corona-Pandemie die wenigsten vorstellen können, heute aber braucht es dafür vielleicht eine Kategorie. Die können wir ergänzen und so auch die Datenbank der Plattform sich entwickeln lassen.
Kontrollieren Sie die Informationen, die bereitgestellt werden?
Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass die Informationen stimmen, da vertrauen wir den Akteuren. Einen Prüfmechanismus gibt es aber trotzdem, klar. Spam oder Missbrauch muss verhindert werden und auch die grundsätzliche Qualität der Daten sollte passen, gegebenenfalls nehmen wir dann Kontakt auf. Den Aufwand leisten wir gern und hoffen, dass wir dadurch noch näher an die Kulturschaffenden herankommen.
Die Kulturschaffenden melden sich bei Ihnen?
Ja, aber wir suchen auch aktiv den Kontakt. Generell darf und wird „Theatris“ jetzt nach dem Launch im Dezember 2022 beginnen zu wachsen, das bedeutet für uns eine kontinuierliche Begleitung. Wir sehen aber auch genau darin eine große Chance, die Freie Szene Sachsen-Anhalts stärker zu vernetzen. Zum Beispiel beginnt derzeit ein Projekt zur bundesweit abgestimmten Archivierung Freien Theaters, durch dessen Verbindung mit „Theatris“ unsere hiesige Szene auch im Bundeskontext ganz anders wahrgenommen werden kann.
Erzählen Sie mehr über Ihre Pläne!?
Wir fragen uns beispielsweise auch, wie unsere Datenbank weiter nutzbar gemacht werden kann im Zuge der Digitalisierung öffentlicher Verwaltung und Förderverwaltung. Auch sind wir im Gespräch mit anderen Landesverbänden aus Hessen, Hamburg oder Bayern, um sie als Partner zu gewinnen und Datenbanken zu vernetzen. Dadurch könnten wir zukünftig noch besser die Arbeitsweise in der Freien Szene abbilden und Wege zum Publikum bahnen, denn beides endet nicht an den Grenzen unseres Bundeslands.
Text: Mathias Schulze