„Sing dela Sing – 30 Jahre Werk 2 Edition“, 12. September, Werk 2, 20 Uhr, alle Veranstaltungen: www.werk-2.de
War es einst eine Gasmesserfabrik, ist es heute das größte soziokulturelle Zentrum in Sachsen: Das Leipziger Werk 2. Jetzt wird es 30 Jahre alt. Zeit für einen Rückblick, Zeit für Feierlichkeiten
Das Werk 2 wurde 1848 von dem Franzosen Ed. Siry als Fabrik für Gasmesseranlagen im seinerzeit dörflichen geprägten Connewitz gegründet. Das Gelände war damals weithin unbewohnt, ein paar Jahre später, nämlich 1863, wurde die Gasmesserfabrik durch eine Eisengießerei erweitert. In den Folgejahren und im Zuge der Industrialisierung folgten diverse Umbauten und zusätzliche Erweiterungen. Ab dem Kriegsjahr 1940 wurde das florierende Unternehmen, da auf französischem Kapital beruhend, dann treuhänderisch verwaltet. Zu den dunklen Kapiteln der Industrieanlage zählt in diesem Kontext auch die Errichtung eines Zwangsarbeiterlagers auf dem Gelände ab 1942/1943.
1948 übernahm dann die Stadt Leipzig die Verwaltung. 1952 schließlich erfolgte die Angliederung als Zweigstelle (daher Werk II) an den „VEB Werkstoffprüfmaschinen Leipzig“. Nach der Abwicklung des VEB-Bestandes und dem Versuch einer Rettung der wirtschaftlichen Strukturen durch eine Auffanggesellschaft 1990/1991 entstanden erste Ideen für eine kulturelle Nutzung. 1992 startete mit der Gründung des Leipziger Vereins und Kulturzentrums „Connewitzer Kreuz“, dem heutigen Verein „Werk 2 – Kulturfabrik Leipzig“, letztlich die Nutzung des Geländes als soziokulturelles Zentrum.
Damit eroberte sich die Kultur ihren Raum. Und es war eine wilde Eroberung. Damals war vieles möglich. Anfang der 1990er Jahre waren die Zeiten anarchisch und dreckig. Der Westen zog im Osten ein, es gab noch Telefonzellen und unbesetzte Fabrikgelände. Subkultur und unregulierter Raum bestimmten auch anfangs im Werk 2 Programm und Werkstattbetrieb. Paragraphen und Vorschriften waren noch keine heiligen Kühe.
Einen treffenden Blick auf diese wilden und offenen Zeiten wirft das aktuelle Jugendtheater-Projekt „Scherbenhelden“ – die Inszenierung nach dem gleichnamigen Roman von Johannes Herwig ist am 14. September um 19 Uhr und am 15. September um 21 Uhr in der Halle D im Werk 2 zu sehen.
Mit der behutsamen und schrittweisen Sanierung des Geländes ab 1996 wurde ein gelungenes Beispiel für eine erfolgreiche Umnutzung geschaffen: Aus einer denkmalgeschützen Industriearchitektur wurde ein moderner kultur- eller Standort. Neben drei Krea- tivwerkstätten(Grafikdruckwerkstatt, Glasbläserei, Keramikwerkstatt) und verschiedenen altersübergreifenden Projekten spielt auch bis heute die Livemusik eine zentrale Rolle.
Seit der Wiedereröffnung der sanierten Halle A im Jahr 1999 und vor allem seit der Eröffnung der kleineren Halle D 2010 wuchs die programmatische Vielfalt im Werk 2 kontinuierlich: Konzerte, Theater, Messen und Lesungen für alle Altersgruppen.
Auf dem Gelände arbeiten heute zahlreiche weitere Vereine, Künstler, Gruppen und Unternehmen, sie alle prägen gemeinsam mit dem Werk 2 das kulturelle Bild des Leipziger Südens. Der Charme ist einzigartig: Industriearchitektur, Kulturnutzung und Gastronomie. Regelmäßig werden heute öffentliche Führungen angeboten, so unter anderem zum Tag der Industriekultur und zum Tag des offenen Denkmals. Und seit 30 Jahren verwaltet der Verein „Werk 2 – Kulturfabrik Leipzig“ nicht nur das Gelände, er betreibt neben den drei Gründungswerkstätten auch die zwei genannten Veranstaltungshallen.
30 Jahre Kulturfabrik: Das sind 30 Jahre Sanierungen, Teamvergrößerungen und Professionalisierungen. So ist das größte soziokulturelle Zentrum Sachsens entstanden. Und jetzt wird gefeiert, im kleinen und größeren Rahmen – in den Hallen gibt es verschiedenste Veranstaltungsformate, in den Werkstätten die unterschiedlichsten Angebote. Dabei verschreibt sich beispielsweise das Mitmach-Konzert „Sing dela Sing – 30 Jahre Werk 2 Edition“ am 12. September ganz der Kulturfabrik. Gemeinsam werden Hits von Bands gesungen, die in den letzten drei Jahrzehn-ten im Werk 2 aufgetreten sind. Die Texte der Songs gibt es liebevoll aufbereitet per Videoprojek- tion, Popmusik-Profis begleiten das Ganze. Und innerhalb weniger Minuten soll das gemeinsame Singen alle unendlich glücklich machen.
Auch die „Lesebühne Schkeuditzer Kreuz“ mit Hauke von Grimm, Franziska Wilhelm, Marsha Richarz, Kurt Mondaugen und Julius Fischer überschreibt ihre Veranstaltung am 14. September um 20 Uhr in der Halle A mit dem Ti-tel „30 Jahre Werk 2“. Übertriebene Ehrerbietungen, Spoken-Word-Texte, Quatsch und Lieder wollen der Stamm-Location am Connewitzer Kreuz huldigen.
Und wer noch einmal live in die Geschichte der Kulturfabrik eintauchen möchte, kommt am 11. September zu den kostenfreien Führungen durch das Werk 2. Der erste Rundgang startet um 14 Uhr, der zweite um 16 Uhr. Beide Führungen dauern ungefähr eine Stunde, geboten werden Einblicke in die Räumlichkeiten, die den Gästen sonst verwehrt bleiben. Und allerhand Anekdoten aus alten und neuen Zeiten gibt es natürlich obendrauf. Für beide Rundgänge trifft man sich am Hofeingang in der Kochstraße 132, um eine kleine Spende wird gebeten. In diesem Sinne: Auf die nächsten 30 Jahre!
Text: Max Feller