Paula Linke, 4. November, 19 Uhr, Galerie W182 in der Wurzner Str. 182, alle Termine: www.paula-linke.de
Ihre Lieder sind Fragen an das Große und Ganze des Seins, an auftauchende Menschen und Orte und an verschwindende. Die gebürtige Leipzigerin Paula Linke, Jahrgang 1989, arbeitete als Regieassistentin, Theaterpädagogin und Dramaturgin. Gut, dass sie den Schritt gewagt hat, zusammen mit ihrer Gitarre ins öffentliche Rampenlicht getreten zu sein. Am 4. November ist die Liedermacherin in der Galerie W182 zu Gast. Wir haben sie zum Gespräch gebeten.
Hallo, Frau Linke, auf Ihrer Homepage schreiben Sie von einem Ent-schluss im Frühjahr 2020: „Ich wollte das Liedermachertum mit all seinen positiven und negativen Seiten angehen, mit Haut und Haaren und sehen, wohin es mich führte – und vor allem, wie weit.“ Was sind die positiven Seiten des Liedermachertums?
Die Musik! Die Lieder! Mein Beruf ist es, Musik zu machen und diese mit einem Publikum zu teilen – es gibt wenig Schöneres. Zudem liebe ich meinen Tagesablauf. Allein, den Tag damit zu beginnen, Radio zu hören, zu lesen, über das Leben und die Welt nachzudenken, Texte zu schreiben, Melodien zu erfinden, Programme zu entwickeln oder Gedichte zu vertonen: Das sind Dinge, die mir Spaß machen, die jetzt zu meinem Alltag gehören. Genauso das Telefonieren mit Veranstaltern, das Kennenlernen wundervoller Kollegen und Kolleginnen und Orte auf Tour. Großartig! Ich darf das alles unabhängig von einem großen Apparat machen. Ich darf alle Entscheidungen selbst treffen. Das hat mir vorher gefehlt.
Verschweigen wir die negativen Seiten nicht.
Natürlich gibt es Schwachstellen – beispielsweise die fehlende Sicherheit als Solo-Selbständige. Mit meinen Erfahrungen in den letzten zwei Jahren bin ich nicht allein. Über die gesellschaftspolitische Wichtigkeit von Kultur und kultureller Bildung, und den damit zusammenhängenden Wert der Menschen, die in diesem Sektor arbeiten, sollte nicht verhandelt werden müssen. Und doch fällt im Zweifelsfall, im „Land der Dichter und Denker“, die Kultur hinten runter. Das darf nicht sein. Als Lieder- macherin bin ich, genau wie vorher als Dramaturgin am Theater, wieder mit diesen Themen konfrontiert. Trotzdem darf ich an einem Liederabend mein Publikum mit auf Gedankenreise nehmen. Und trotz all der Widrigkeiten des Alltags ein wenig Hoffnung mitgeben. Das ist etwas Wunderschönes.
Wohin und wie weit hat Sie das Liedermachertum bislang geführt?
Weiter, als es mir am Theater jemals gelungen ist. Gleich im ersten Jahr, also 2020, durfte ich die „Hoyschrecke“ mit nach Hause nehmen. Das ist ein renommierter Liedermacher-Preis, der auf Gundermann zurückgeht. Seitdem entstanden zwei neue Alben, das „Duo Adriana“ mit der Violinistin Thekla Apitz, die Musik-und Literatur- reihe „lax&lux“ im Café Lux im Leipziger Osten mit dem Autor Daniel Baierl, zwei vollgepackte Touren durch die Bundesrepublik und mein erstes Musikvideo zu „Geputzte Flügel“. Ich bekam weitere Preise und Förderstipendien, wir bewegen uns auf das dritte Studioalbum zu. Ganz schön viel also, manchmal auch überfordernd. Aber das ist das Schöne: Täglich passieren spannende Dinge, die mir Spaß machen. Ein toller Beruf!
Gibt es bislang eine Rezension über Ihre Songs, die Sie besonders prägnant fanden?
Thorsten Murr schrieb auf „Deutsche Mugge“ zum Doppel- Album „Ich will noch runder werden“ (2021) das hier: „Was sie uns mitteilt, hat Substanz, ist aber nicht erhaben. Kryptische Künstelei und große, prätentiöse Botschaften gibt es nicht. Das ist angenehm und macht auch älter- en, an Lebenserfahrung reicheren Menschen, Lust, sich auf die Gedankenwelt dieser jungen Sängerin einzulassen. Ihre Lieder sind Anregungen zum Nach- und Mitdenken, wie eine Einladung zu einem guten Gespräch, vielleicht während eines Spaziergangs durch die Stadt oder über ein herbstliches Feld.“
Sie haben als gebürtige Leipzigerin ab 2009 in Erlangen und Nürnberg studiert. Warum sind Sie eigentlich nach Leipzig zurückgekehrt?
Ich wollte einfach nach Hause. Ich habe mich immer wohl gefühlt an den anderen Orten, egal ob in Erlangen, Nürnberg, Ansbach oder Münster. Überall war es schön und die Menschen zuvorkommend und herzlich. Aber nach zehn Jahren wurde die Sehnsucht einfach zu groß.
Sie sind im November 1989 in Leipzig als Tochter einer Musiklehrerin zur Welt gekommen, sind also mitten hineingeboren und aufgewachsen in einer Welt, die für die Er-wachsenen eine neue war. Wie hat sich das auf Ihr Leben ausgewirkt?
Zugegeben, als Neugeborenes bekommt man nicht so viel mit. Aber in meiner Familie schwebt bis heute so ein Freiheitsgefühl mit, das ich dieser Zeit zuschreibe. Ein „Du kannst hingehen und machen, wo und was du willst“-Gefühl. Das wurde uns als Kindern mitgegeben. Dadurch, dass ein Elternteil ost-, das andere westdeutsch aufgewachsen ist, gehörte für mich zudem schon immer alles zusammen. Gleichzeitig spürt man noch Trennendes. Wenn ich woanders Konzerte spiele, in Bayern oder Nordrhein-Westfalen, dann versuche ich auch immer ein bisschen, von den Schönheiten und Geschichten des Ostens zu erzählen. Und wenn ich hier spiele, dann erzähle ich schöne Dinge aus den zehn Jahren in Franken. Denn die Wende ist zwar über 30 Jahre her, genauso alt wie ich, aber es gibt immer noch Ecken, da steht in den Köpfen eine Mauer.
Welche Pläne gibt es aktuell?
Jetzt geht es erst einmal auf Tour. Diesen Herbst darf ich noch 18 wundervolle Orte bespielen. Ich freue mich aufs Reisen. Dann werden im November in Berlin die ersten neuen Lieder aufgenommen für das dritte Studioalbum. Das soll im Mai 2023 erscheinen und wieder eine Tour mit sich bringen, auf der ich versuche, so viele neue, schöne Orte und Menschen kennenzulernen wie nur möglich.
Text: Max Feller