Karo Nero und Gäste, 28. Oktober, Pittlerwerke Leipzig, Pittler Halle Heinrich, 20 Uhr, www.karo-nero.de
Das neue Album „Zugvögel und Korallen“ der Leipziger Band Karo Nero ist ein ehrliches, tiefgehendes Werk, das zum Zuhören, Mitfühlen, Nachdenken und Mittanzen anregt. Zu hören gibt es deutschsprachige Texte zu einer Mischung aus Pop-Rock, Blues und Folk. Am 28. Oktober wird zur großen Konzertsause in die Pittlerwerke Leipzig geladen, diverse Gäste inklusive. Das wird schön! Grund genug, bei Bandmitglied Gunter Schwarz nachzufragen
Hallo, Gunter Schwarz! Ich muss anfangs etwas loswerden: Was ist denn „In den Korallen“ für ein Song?! Der hat mich gerade mächtig erwischt, emotional schwer berührt! Wer hat den geschrieben?
Danke. Das ist mit das schönste Feedback, das man als Songwriter bekommen kann. „In den Korallen“ ist tatsächlich ein ganz neues Lied und ein Last-Minute-Nachrücker für das Album. Das Bild, diese Wortgruppe trug ich schon länger mit mir herum: Schutz suchen, sich zurückziehen, sich verstecken, wie die Fische in den Korallen. Seine konkrete Form nahm der Titel dann aber erst vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine an. Ich hatte mich etwas damit beschäftigt, wie das Leben in den vom Krieg betroffenen Gebieten wohl aussieht. Wie es weitergeht, wie die Menschen funktionieren. Daraus wurde diese kleine Geschichte mit dem Klebeband auf den zerborstenen Fensterscheiben und dem Weg durchs Treppenhaus aus der eigenen Wohnung in den hoffentlich sicheren Schutzkeller. Obwohl es so ein ungewöhnlicher, schwebender, sanfter Song ist, wurde er eine der Singles des Albums. Auch weil Christoph Schenker als Gast mit seinem virtuosen Cello-Spiel diese elektrisch geladene und gleichzeitig zerbrechliche Stimmung perfekt eingefangen hat.
Werden wir nüchterner: 2020, mitten in der Pandemie, hat Karo Nero – wunderbare 25 Jahre nach dem ersten Auftritt – das Debütalbum „Schwerter aus Papier“ herausgebracht. Rückblickend: War das ein gutes Timing?
Ich sage es mal so: Besser dann als nie. Es ist ja so, dass unser Debütalbum mit erheblicher Verspätung erschien. Wir waren Mitte der Neunzigerjahre mal eine Band und gingen dann über zwei Dekaden getrennte Wege. Dass unser Comeback dann ausgerechnet in den Corona-Sommer 2020 fiel, entbehrte rückblickend schon nicht einer gewissen Komik. Ich bin trotzdem glücklich, dass wir es durchgezogen
haben. Denn die Alternative wäre wohl gewesen, das Projekt komplett einzustampfen. Mithilfe des Vereins „Lieder-Tour“ konnten wir sogar eine kleine Akustik-Tour durch Mitteldeutschland unter Corona-Bedingungen spielen – mit Masken, Datenerfassung, Abstand und zum Teil als Doppelkonzerte mit jeweils halb so viel Publikum.
Manche Veranstalter …
… und Veranstalterinnen gingen damals aber verständlicherweise lieber auf Nummer sicher, und so fielen einige geplante Auftritte ins Wasser.
Unter anderem leider auch die Record-Release-Party. Trotzdem haben wir gemeinsam einige schöne Konzertabende erlebt und viel positives
Feedback bekommen. Da wussten wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Zu den Basics: Wer ist denn Karo Nero? In welchen musikalischen Projekten sind die Bandmitglieder denn überall tätig?
Der Ursprung der Band liegt schon in den Neunzigerjahren. Damals gründete ich mit ein paar Freunden und Freundinnen meine erste eigene Band. Wir spielten Songs, die ich schrieb. Damals noch in englischer Sprache. Das verspätete Debüt fand dann fast in Originalbesetzung statt. Vor ungefähr einem Jahr haben wir uns allerdings neu formiert, so dass von der Originalbesetzung nunmehr nur noch ich übrig bin. Peter Hirsch (Keyboards) blieb auch dabei. Ihn kenne ich noch aus Schulzeiten. Es zog ihn damals schon auf die großen Bühnen, und er wurde Keyboarder bei der deutschen Reggae-Institution Gentleman. Dort spielte er eine Zeitlang auch zusammen mit unserem neuen Bassisten André Heyer, den man darüber hinaus von Peter’s Deal oder Tempi Passati kennt. Per Winker saß unter anderem schon bei Danny Dziuk am Schlagzeug und spielte für Musiker aus Italien, Frankreich, Kanada, Kuba oder Nikaragua.
Wie würden Sie das neue Album in drei Sätzen charakterisieren?
Zu hören gibt es feinste deutschsprachige Texte zu einer enthusiastischen Mischung aus Songwriter-Rock, Blues und Folk. Inhaltlich ist es dicht an den Themen unserer Zeit: von der Flucht aus Kriegsgebieten über die „Klimakleber“ bis zum ganz großen Glück im ganz Kleinen. Der Sound dazu ist, meiner Meinung nach, brillant gemischt von Tobi Fiedler – poppig, rockig, erdig, ehrlich und handgemacht.
Was sehen Sie gerade, wenn Sie als Musiker auf der Bühne stehen, ein Publikum, das Trost, Halt und Orientierung sucht und das erst langsam wieder von der Corona-Couch runterkommen muss?
Ja, das ist wohl so. Und das sehen nicht nur wir. Manche Bands erzählen ganz offen und transparent von Ihren Erfahrungen. Die Jeremy-Days sagten beispielsweise 2022 ihre komplette, Tour ab. Im Wesentlichen wegen steigender Kosten, Personalmangel, aber auch wegen des „teils erschreckend mageren Vorverkaufs“. Wir sind definitiv noch nicht wieder dort angekommen, wo die Branche vor der Pandemie stand. Wir sind immer noch Newcomer, wenn auch im besten Alter. Und wir sind sehr glücklich, wenn wir ein interessiertes Publikum finden, auch wenn es klein ist. Dabei entstehen oft die die magischen und intimsten Momente. Das kann man mit Geld nicht kaufen.
Text: Mathias Schulze