Sorry3000 – „Warum Overthinking dich zerstört“, das Album ist bestellbar: www.sorry3000.net
Die New-Wave-Band Sorry3000 kommt aus Halle und hat, will man dem Musikjournalisten Linus Volkmann glauben, gerade „die wichtigste Deutschpop-Platte eines gänzlich unnormalen Jahres“ herausgebracht. „Warum Overthinking dich zerstört“ heißt das Debütalbum. Grund genug, bei der Sängerin Stefanie Heartmann und beim Gitarristen Frank Leiden nachzufragen
Der Musikjournalist Linus Volkmann nennt das neue Album „die wichtigste Deutschpop-Platte eines gänzlich unnormalen Jahres“. Puh, das ist starker Tobak. Hand aufs Herz, können Sie sich dieses Urteil erklären? Wenn nicht, warum nicht?
Leiden: Wir kennen uns in der Deutschpop-Szene ehrlich gesagt nicht so gut aus, haben uns aber natürlich über diese Schmeichelei sehr gefreut.
Heartmann: Wir verlassen uns da auf Linus Volkmanns Urteil, der ist ja doch sehr kompetent! Wobei es ja oft so ist, dass als wichtig beurteilte Musik dann von niemandem gehört wird. Was bedeutet dieses Urteil also eigentlich?!
Es gibt wahrlich bessere Zeitpunkte für ein Debütalbum. Warum haben Sie nicht gewartet? Gewartet auf einen Zeitpunkt, an dem man auch eine Tour hätte machen können?
Heartmann: Wir sind schon seit 2017, als wir mit den Aufnahmen angefangen haben, gespannt darauf, endlich dieses Album zu veröffentlichen. Wir konnten es nicht länger aushalten!
Leiden: Ich hab neulich ein Interview mit Jan Müller von Tocotronic gelesen, der hat gesagt, dass sie ihr Album erst veröffentlichen, wenn sie wieder spielen können. Dass viele Bands auf die Veröffentlichung verzichten, spielt uns vielleicht also sogar in die Karten, weil wir auf diese Weise nicht komplett untergehen!
In dem schönen Song „Tarifgebiet“, der nach schönen Trance-Tanz verlangt, gibt es die schöne Zeile „Als Reisender im ICE / Tut Sachsen-Anhalt niemand weh“. Zudem gibt es noch das ebenso schöne „Neustadt“, ein musikalisches Porträt über Halle- Neustadt. Ist das eine Liebeserklärung an Sachsen-Anhalt, an den Osten, an Halle, an das Unperfekte? Und wenn nicht, würden Sie eine abgeben?
Leiden: Danke für das Lob! Ich finde es ehrlich gesagt komisch, ein Bundesland zu lieben. Das gleiche gilt für Länder, und auch Stadtteile. Wir versuchen, uns mit den Orten auseinanderzusetzen, dabei fallen uns bestimmte Dinge auf, einiges davon gefällt uns, anderes nicht. Und trotzdem leben wir gerne hier.
Heartmann: Eine Liebeserklärung ist es auf jeden Fall nicht. Aber ein ehrliches Interesse ist schon da. Langweilig ist es hier ja nicht …, manchmal aber auch schon.
Leiden: Sachsen-Anhalt ist ja nicht gerade ein prominentes Bundesland, bei dem man klare Assoziationen hat, wie Bayern und das Oktoberfest oder Mecklenburg- Vorpommern und die Ostsee. Außer vielleicht, dass es wenig bevölkert ist und die Leute angeblich früh aufstehen. Da gibt es Spielraum für eigene Überlegungen, weil wenig vorab abrufbar ist.
Heartmann: Sachsen-Anhalt hat ja noch nicht mal die besten Nazis, die hat Sachsen oder Thüringen!
Bleiben wir beim Unperfekten. Oft setzen Sie sich kritisch mit diversen Spielformen der Selbstoptimierung auseinander. Was ist denn so schlimm daran, wenn jeder seine Potenziale entfaltet?
Heartmann: Potenziale entfalten ist super! Aber wenn es über die Potenziale hinausgeht, und an der Substanz zehrt, wird es natürlich schwierig.
Leiden: Außerdem geht es auch auf Kosten von anderen, wenn man die Ellenbogen ausfährt. Und auch wenn man sich nicht direkt arschig verhält, den Druck gibt man ja doch weiter. Ein weiteres Problem bei der Selbstoptimierung ist, dass man damit nie fertig wird. Heartmann: Und irgendwann nur noch müde ist.
In der „Zeit“ war zu lesen, dass Ihre klebrig süßlichen Soundmuster wunderbar hingerotzt sind „in unsere traurige, cleane Gegenwart, in der die fröhliche Postmoderne längst zur Psychose vorangeschritten ist “. Haben Sie das verstanden? Warum ist unsere Gegenwart clean, also sauber?
Heartmann: Nee, ich hab’s erst nicht verstanden!
Leiden: Was die Postmoderne ja erstmal ausmacht, ist die Befreiung von Zwängen und ein anything goes, glaube ich. Was es vielleicht auch beschreibt, ist ein gewisses Verlorensein, und damit können wir uns schon identifizieren. Die vielen tausend Möglichkeiten überfordern uns und machen uns unglücklich, dabei sind wir ja eigentlich froh, dass sie da sind!
Heartmann: Also, wir versuchen in unseren Texten bei uns zu bleiben und bei bestimmten Beobachtungen, die wir machen. Wie andere das einordnen, finden wir interessant, wollen das dann aber auch gerne so stehen lassen.
Text: Mathias Schulze