„WeltWeitWissen“, vom 4. bis 6. Mai, Halle, Leipzig und digital, www.weltweitwissen2022.de
In Halle und Leipzig findet der Bundeskongress „WeltWeitWissen“ statt. Unter dem Motto „KlimaGerechtigkeit“ gibt es eine Projektmesse, Diskussionen, Workshops, Exkursionen, Kino und Theater. Und das alles in einem hybriden Format: 200 Teilnehmende in Präsenz, 200 im digitalen Raum. Wir haben bei der Netzwerkkoordinatorin Christiane Christoph nachgefragt
Hallo Frau Christoph, an wen richtet sich „WeltWeitWissen“, der Kongress für Klimagerechtigkeit in Halle und Leipzig?
Der Kongress ist ein alle zwei Jahre wiederkehrender Bundeskongress zum „Globalen Lernen / Bildung für Nachhaltige Entwicklung“. Er richtet sich traditionell an die Hauptzielgruppe, an Multiplikatorinnen, Referentinnen, Lehrerinnen und Vertreterinnen zivilgesellschaftlicher Nichtregierungsorganisationen vornehmlich aus dem Bereich der Entwicklungspolitik sowie des Umwelt- und Klimaschutzes. Er dient zu deren Fortbildung und ihrem Austausch. Weitere Menschen, die wir erreichen wollen, sind Entscheidungsträgerinnen, die Einfluss darauf haben, wie und in welchem Umfang sich die Bildungsarbeit im außerschulischen Bereich mit den fächerü-bergreifenden Themen der gesellschaftlichen Transformation und der nachhaltigen Entwicklung beschäftigen kann. Aber auch Ver-treterinnen aus der Wirtschaft werden adressiert und in die Diskussionsprozesse einbezogen. Und natürlich sind auch alle anderen Interessierten willkommen.
Wir sprechen Mitte April miteinander, in der Ukraine tobt Putins Angriffskrieg mit all seinen (Klima-) Folgen. Und der sogenannte globale Klimawandel ist in Wirklichkeit eine globale Klimakrise. Was kann so ein Kongress angesichts dieser Realitäten leisten?
Die Auswirkungen, welche der Ukraine-Krieg mit sich bringt, spiegeln spezifisch weltweite Verflechtungen und Abhängigkeiten in Wirtschaft, Handel und Gesellschaften. Diese Themen, Zusammenhänge und Problemlagen werden in der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit täglich von den Akteurinnen bearbeitet und sichtbar gemacht, inklusive des Aufzeigens von Handlungsoptionen. Ich meine da beispielsweise die Produktionsbedingungen, die Sozialstandards und Lieferketten, die Lebensbedingungen in den Erzeugerländern oder die Auswirkungen von Rohstoffabbau auf Mensch, Klima und Umwelt. Die negativen Auswirkungen dieser Phänomene äußern sich in Umweltzerstörungen, Klimaveränderungen und sozialer Benachteiligung – vor allem in den Ländern des Südens und des Ostens. Angesichts der Realität in der Ukraine können wir im Kongress nicht mehr adäquat mit thematisch spezifisch vorbereiteten Angeboten reagieren. Wir sind dennoch alsbald im Koordinierungskreis verabredet, um uns darüber abzustimmen, in welchen Formaten wir die Auswirkungen des Krieges einfließen lassen können und werden.
Welche Angebote bietet „WeltWeitWissen“?
Der Kongress hat sich drei Hauptziele gesetzt. Erstens: Das große Leitthema des Kongresses ist die Klimagerechtigkeit. Zweitens: Der Kongress ist in seinem hybriden Format ein Pilot, an welchem gleichermaßen Teilnahme in Präsenz und digital sowie aktive Mitarbeit und Zusammen-arbeit der Teilnehmenden möglich sein wird. Drittens: Die Menschen aus den Bereichen „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ und „Globales Lernen“ sollen sich während des Kongresses untereinander vernetzen und austauschen. Unter diesen drei Leitzielen werden sämtliche Bausteine des Kongresses organisiert und durchgeführt.
Und diese Bausteine sind?
Es gibt Impulsvorträge von fachkundigen Referentinnen, die aus der Perspektive des Globalen Nordens und des Südens berichten. Es gibt Podiumsdiskussionen mit Vertreterinnen aus Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung und Wirtschaft. Es gibt Workshops, Exkursionen und Ausstellungen. Es gibt Theaterstücke oder ein Fahrrad-kino. Am 6. Mai wird es ab 12 Uhr eine Aktion zur Klimagerechtigkeit auf dem Markt in Halle geben.
Wie blicken Sie auf die deutsche Fridays-for-Future-Bewegung? Wie nehmen Sie die Extinction Rebellion-Bewegung wahr?
Persönlich blicke ich sehr positiv auf die Fridays for Future- Bewegung. Ich habe vollstes Verständnis für die Beweggründe und die vehementen Forderungen. Die Dynamik und die Kraft der Bewegung sind sehr eindrucksvoll. Nachhaltige Entwicklung und die große Transformation sind gleichsam die Ziele der entwicklungspolitischen Akteurinnen des Vereins „Eine Welt“, dem Netzwerk für Sachsen-Anhalt. Jedoch trete ich in der unbestrittenen dringend notwendigen nachhaltigen Entwicklung im Fall des Kongresses zur Klimagerechtigkeit insbesondere für die soziale Gerechtigkeit ein. Auch die kraftvolle, selbstbewusste, gut informierte, jugendliche Fridays-for-Future-Bewegung bemerkt in der Diskussion um den Klimaschutz zu wenig den sozialen Aspekt. Unsere Klimasünden im Globalen Norden werden auf dem Rücken der Menschen im globalen Süden ausgetragen. Aus diesem Grund hat der Kongress unter dem Thema „KlimaGerechtigkeit“ eine ganz andere Wertigkeit.
Und die Extinction-Rebellion-Bewegung?
Die Methoden des zivilen Ungehorsams, wie Blockaden der Infrastruktur, der Straßen oder Brücken, die die Extinction-Rebellion-Bewegung durchführt, sind nicht in unserem Sinne. Wir setzen in unserer Bildungsarbeit vollumfänglich auf Sensibilisierung, auf Wissensbildung im Sinne von Verstehen, im Sinne der Empathieförderung. Wir setzen auf Informationen, die auch Handlungsalternativen aufzeigen. Und wir setzen auf die Unterstützung bei deren Umsetzung. Auch der Extinction-Rebellion-Bewegung fehlt das Mitdenken der sozialen Gerechtigkeit im Sinne des planetaren Gemeinwohls.
Text: Mathias Schulze